Storchendrama

Tödliche Gummibänder

Der junge Storch hat nicht überlebt. Foto: NABU Leipzig
Der junge Storch hat nicht überlebt. Foto: NABU Leipzig

Aus Bad Dürrenberg erhielt die Wildvogelhilfe des NABU Leipzig einen jungen Weißstorch. Das Tier hatte erhebliche Verdauungsprobleme und wurde deshalb in die Uniklinik für Vögel und Reptilien gebracht. Der Storch konnte dort leider nicht gerettet werden. Die Untersuchung des Mageninhalts belegt, was bereits vermutet wurde: Der junge Storch wurde von seinen Eltern über mehrere Tage mit großen Mengen Gummibändern gefüttert.

 

Die Störche verwechseln Gummibänder von Form und Konsistenz mit Regenwürmern und nehmen diese als vermeintliche Nahrung auf. Das ist leider inzwischen ein verbreitetes Phänomen, das immer wieder zu Notfällen führt. Doch eine so große Menge von Gummibändern war auch für die Tierärztin überraschend. Es handelte sich um 300 Gummibänder mit Gewicht von ca. 600 Gramm. Diese große Masse an Gummis wurde ein fester Klumpen im Magen und konnte weder verdaut, noch über den Darm abgeführt werden. Der übervoll verhärtete Magen hatte sich in den Hinterleib verlagert, der Storch war beim ersten Ausflug also gar nicht flugfähig. Er hatte durch die Gewichtsverlagerung Mühe zu fliegen und landete in einem Schacht.

 

Flugunfähiger Jungstorch landete mit verstopftem Magen in einem Schacht, wo er von Helfern geborgen wurde.
Flugunfähiger Jungstorch landete mit verstopftem Magen in einem Schacht, wo er von Helfern geborgen wurde.

Eine Woche zuvor war ein junger Storch aus demselben Nest ebenfalls an dieser Ursache gestorben. Ein drittes Jungtier, das nach dem Verlassen des Nestes noch nicht wieder gefunden wurde, ist sehr wahrscheinlich ebenfalls in Lebensgefahr.

 

Suchaktion nach Quelle der Gummibänder

 

Gleich nachdem der Wildvogelhilfe Leipzig von der Klinik der Befund mitgeteilt wurde, haben die ehrenamtlichen Vogelretter Ornithologen und Naturfreunde informiert. Am 4. und 5. August 2023 starteten sie gemeinsam mit Aktiven des NABU Leipzig und des NABU Merseburg-Querfurt eine Suchaktion. Der vermisste Jungstorch soll gefunden werden, um ihm vielleicht noch helfen zu können. Außerdem wurden weiträumig Nahrungsflächen abgesucht, beispielsweise abgeerntete Felder, auf denen die Störche landen und fressen. Auch am 6. August waren die Helfer erneut draußen und haben die Suche ausgeweitet.

 

Suche nach der Quelle der tödlichen Gummibänder. Fotos: NABU Leipzig

 

Hilferuf

 

Die Quelle der Gummibänder soll ausfindig gemacht werden, deshalb bittet der NABU Leipzig um Unterstützung: Wer hat Informationen zu den Gummibändern? Wer kann bei der Suche helfen? Wer rund um Bad Dürrenberg Störche beobachtet, meldet dem NABU Leipzig bitte wohin sie fliegen und wo sie landen. Das ermöglicht Rückschlüsse auf ihre Nahrungsflächen. Erste Hinweise, die bereits auf Mülldeponien und Kompostieranlagen gefunden wurden, werden gerade ausgewertet.

 

Der junge Storch hatte die tödliche Menge von rund 600 Gramm Gummibändern in seinem Magen. Fotos: NABU Leipzig

 

Der Weißstorch ist eine streng geschützte Art, das vorsätzliche Töten oder Verletzen kann als Straftat geahndet werden. Der NABU Leipzig steht in Kontakt mit der Naturschutzbehörde im Saalekreis, dem Storchenbetreuer und dem Storchenhof Loburg.

 

Der NABU Leipzig appelliert an Alle, die Umwelt sauber zu halten, Abfälle einzusammeln und fachgerecht zu entsorgen, damit Tiere und Natur nicht gefährdet werden!

 

Der NABU Leipzig bedankt sich bei allen Unterstützern!

 

Diese 20 unterschiedlich großen Gummibänder (gelb, beige, grün, schwarz, rot) waren in Gesamtzahl 300 Stück in dem untersuchten Storch. Die Bänder sind mit Wasser gespült, damit die Farbe besser erkennbar wird. Die Darstellung der verschiedenen Gummitypen kann vielleicht helfen, die Quelle zu ermitteln. Hinweise bitte an den NABU Leipzig. Foto: NABU Leipzig

 

Menschliche Abfälle gefährden Störche

Vor zwei Jahren hatte die Wildvogelhilfe des NABU Leipzig schon einmal einen Storch aus Bad Dürrenberg geholt, bei dem ebenfalls Gummibänder im Magen festgestellt wurden. Der Vogel wurde nach einem Zusammenstoß mit einer Stromleitung gefangen. Bei der Untersuchung in der Vogelklinik stellte sich heraus, dass er nicht verletzt war, das Röntgenbild zeigte aber einen reichlich gefüllten Verdauungstrakt mit undefinierbarem Inhalt. Der Storch bekam ein Abführmittel und wurde zur weiteren Beobachtung in die Wildvogelhilfe mitgenommen. Am nächsten Tag konnten 40 teilweise verknotete Gummibänder aus dem Darm gezogen werden. Der Storch hatte sie offenbar mit Würmern verwechselt und irrtümlich gefressen. Alle sollten darauf achten, dass derartige Abfälle nicht in die Umwelt gelangen oder so schnell wie möglich wieder eingesammelt werden. Weiterlesen

 

Fotos: NABU Leipzig

 

Die Wildvogelhilfe Leipzig finanziert ihre Arbeit zur Tierrettung sowie Futter und Material ausschließlich
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Suche nach der Unglücksursache

Stichprobenartige Suche nach Gummibändern auf Nahrungsflächen der Störche. Foto: NABU Leipzig
Stichprobenartige Suche nach Gummibändern auf Nahrungsflächen der Störche. Foto: NABU Leipzig

Die Ursache für das Sterben der Störche waren Gummibänder im Magen. Eine Recherche im Internet hat ergeben, dass es deutschlandweit mehrere dokumentierte Fälle gibt. Zusätzlich gibt es tot aufgefundene Störche oder unbesetzte Nester, wofür die Ursachen nicht bekannt sind - es ist durchaus möglich, dass auch dabei verschluckte Gummis eine Rolle spielen. Daher ist es notwendig, die Quellen der Gummibänder zu suchen und diese Umweltverschmutzung abzustellen. Der NABU Leipzig hat sich vorgenommen, hier weiter zu ermitteln und zu informieren. Einige Aktive aus dem NABU und aus der Wildvogelhilfe Leipzig hatten daher spontan eine Ermittlungsgruppe gebildet, die intern als „Soko Adebar“ bezeichnet wird. Über Soziale Netzwerke werden Ergebnisse gesammelt und ausgetauscht, und es gibt erste Erfolge. Allerdings wird es notwendig sein, zur nächsten Brutsaison die Beobachtungen auszuweiten.

Erfassung der Untersuchungsflächen in einer Karte.
Erfassung der Untersuchungsflächen in einer Karte.

Nach dem Tod der zwei Jungstörche gab es eine arbeitsreiche Woche: Ehrenamtliche Helfer haben an 35 Orten und auf Nahrungsflächen nach Störchen und nach Auffälligkeiten gesucht, darunter waren auch 13 Bürgerhinweise die nach dem Medienecho beim NABU eingingen. Hinweise, Funde und besuchte Orte werden in einer Karte erfasst.

 

Auf Nahrungsflächen der Störche wurden dabei bereits Gummibänder gefunden. Erschreckend bei den Funden auf den Feldern sind aber nicht nur Gummiteile, auch jede Menge Folie und Plastik ist zu finden. Da es sich bis jetzt immer nur um kleine Probeflächen handelt, ist das gesamte Ausmaß sicherlich noch schlimmer. Den Verursachern ist vermutlich nicht bewusst, dass dieser Unrat tödliche Folgen für die heimische Tierwelt hat.

 

Zu klären ist also einerseits, wo die Störche die Gummibänder finden, daneben geht es auch um die Fragen, wie sie dort hingelangen und woher die Gummis kommen. Auch dabei gibt es erste Erkenntnisse. So wurden beispielsweise im Stadtgebiet von Bad Dürrenberg Gummibänder in Biotonnen gefunden. Sie gehören dort nicht hinein! Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Gummis aus den Biotonnen über Kompostieranlagen in die Natur gelangen.

 

Mögliche Quellen für Gummibänder, die unachtsam im Biomüll landen. Fotos: NABU Leipzig

 

Alle Funde werden gesammelt und dokumentiert, um die Informationen an die Naturschutzbehörde zu übergeben. Der NABU bittet auch weiterhin um Hinweise per E-Mail

 

Vielen Dank an alle Unterstützer!

 

Dokumentierte Fundstücke auf Nahrungsflächen der Störche: Gummibänder und andere Kunststoffteile. Fotos: NABU Leipzig

 

MEDIENECHO

 

TAG24 BILD Nachrichtenportal t-online
 LVZ WDR  

 

sogar international fand der dramatische Fall Aufmerksamkeit:
Новините

 

Weiterer Todesfall

Im Saalekreis gibt es bedauerlicherweise einen weiteren tödlichen Vorfall. Im Storchhorst in Lochau wurde von unten ein Jungtier tot gesichtet. Der Vogel konnte mit Hilfe der Feuerwehr geborgen werden. Eine Untersuchung des Mageninhalt ergab, dass sich im Magen eine Mischung aus Unrat befand: Gummibänder, Garn, Schnüre, Folie, Plastik und Metall.

 

Im Storchenhorst Lochau wurde ein toter Jungvogel entdeckt. Foto: Martina Hoffmann
Im Storchenhorst Lochau wurde ein toter Jungvogel entdeckt. Foto: Martina Hoffmann
Im Magen des Jungtiers befand sich eine Mischung unverdaulicher Müllreste. Foto: Karsten Peterlein
Im Magen des Jungtiers befand sich eine Mischung unverdaulicher Müllreste. Foto: Karsten Peterlein

Unter dem Storchenhorst in Lochau, wo das tote Jungtier geborgen wurde, wurden außerdem Gewölle entdeckt, die ebenfalls Gummibänder, Garn, Schnüre, Folie und Plastik enthalten. Gewölle sind eigentlich Speiballen, die aus unverdaulichen Nahrunsgresten bestehen, besipielsweise Knochen und Haaren von Beutetieren. Hier ist es einem Teil der Storchenfamilie gelungen, mit dem Gewölle auch Abfallbestandtteile herauszuwürgen.

Gewölle, die sichtbar machen, dass die Vögel Gummibänder, Garn, Schnüre, Folie und Plastik als vermeintliche Nahrung aufgenommen hatten. Fotos: NABU Leipzig 

 

Appell der NABU-Landesverbände: Gummibänder dürfen nicht in den Biomüll!

Nach mehreren Todesfällen bei Jungstörchen aus dem Saalekreis, dem thüringischen Seebach sowie dem sächsischen Grüna fordern die NABU-Landesverbände Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen Aufklärung und Maßnahmen gegen Umweltverschmutzung durch Kunststoffabfälle. Da sich hier ein größeres Umweltproblem, nämlich die Flut von Kunststoffmüll in unserer Natur, sehr konkret widerspiegelt, rufen die NABU-Landesverbände alle Menschen dazu auf, die Umwelt sauber zu halten, Abfälle einzusammeln und fachgerecht zu entsorgen, damit Tiere und Natur nicht gefährdet werden. Außerdem braucht es dringend Maßnahmen, um die Ursachen der Umweltverschmutzung zu beseitigen, beispielsweise die Nutzung naturverträglicher Alternativen zu unverrottbarem bzw. unverdaulichem Gummi. Weitere Informationen

 

Solche Fälle von Vögeln, bei denen kleinere und größere Mengen Gummibänder oder andere Abfälle im Magen festgestellt werden, häufen sich leider deutschlandweit. Viele der Tiere sterben daran, da sie keine andere Nahrung mehr aufnehmen können, oder sie werden durch den verhärteten Mageninhalt schwach und flugunfähig. Eine Sensibilisierung von Privathaushalten und Unternehmen und konkrete Maßnahmen gegen die menschengemachte Todesfalle sind notwendig. Gemeinsame Pressemitteilung

 

Aufklärung mit Flyer

Um die Menschen über das Problem der tödlichen Gummibänder aufzuklären, hat der NABU Leipzig einen Flyer gestaltet. Er wird in nächster Zeit in den von den Todesfällen betroffenen Regionen und darüber hinaus verteilt. Beispielsweise hofft der NABU, dass die Informationsblätter auf Wochenmärkten und bei Gemüsehändlern und ähnlichen Geschäften ausgelegt werden, damit Gummibänder nicht mehr aus Unkenntnis im Biomüll landen.


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Störche in Gefahr
Gummi und Plastik in der Natur – Lebensgefahr für Tiere
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