Leipzigs Aue droht schwerer ökologischer Schaden durch mangelhafte Bergbausanierung!


Bereits am 09.05.2007 berichtete die LVZ davon, dass die Pleiße immer brauner wird. Dies hat seine Ursachen in den Braunkohlenbergbaufolgelandschaften. Während des Bergbaus gelangten auch Erdmassen aus dem Tertiär an die Oberfläche. Diese enthalten Pyrit, ein Eisen-Schwefelkies, welches an der Oberfläche durch Mikroorganismen unter Einwirkung von Wasser und Sauerstoff zu schwefeliger Säure und Eisenhydroxid oxidiert wird. Dieses Eisenhydroxid sehen wir als rostigen Schwebstoff in der Pleiße.

In den letzten Jahren wurden immer mehr ehemalige Bergbauflächen geflutet und über Gräben das durch Niederschlag entstandene Überschusswasser abgeleitet.

Ein besonders drastisches Beispiel einer solchen Natur zerstörenden Ableitung war die Vorflutanbindung des Tagebaurestloches Borna-Ost/Bockwitz an den Saubach und die Eula. Die Kippen im Tagebaurestloch bestehen überwiegend aus tertiären Substraten, die Pyrit enthalten. Dadurch war der Restlochsee versauert und musste neutralisiert werden. Mit der angeblichen Neutralisierung, in Wirklichkeit musste nur pH-Wert 5 (schwach bis mäßig sauer) erreicht werden, war die LMBV lange Zeit überfordert. So wurde zwischenzeitlich der Wasserspiegel im Restlochsee 1,5 m über die geplante Höhe aufgestaut, bis das Wasser die gesetzlichen Mindestkriterien erfüllte. Dann wurde schubartig eine Flutwelle durch die Saubachaue geschickt. Da sich die Wasserqualität immer wieder verschlechterte musste periodisch der Wasserauslass unterbrochen werden um dann einige Zeit später die nächste Flutwelle durch die Saubachaue zu schicken.

 

Erste mit Eisenhydroxid reiche Hochwasserwelle in der Saubachaue am 13.03.2007
Erste mit Eisenhydroxid reiche Hochwasserwelle in der Saubachaue am 13.03.2007
Der Saubach nach der ersten Hochwasserwelle am 01.05.2007
Der Saubach nach der ersten Hochwasserwelle am 01.05.2007


Die Folgen für die naturschutzfachlich sehr wertvolle Saubachaue waren verheerend. Saures Wasser, von den überfluteten Äckern gelöste Nährstoffe, Eisenhydroxid und Neutralisierungssalze richteten den Saubach als Lebensraum seltener und gefährdeter Tierarten fast zu Grunde. Über 500 Orchideen (gesetzlich geschützte Art) wurden vernichtet. Birken am Ufer starben. Nach der Flutwelle war die Vegetation dicht von Fadenalgen überzogen. Auf der gesamten überfluteten Fläche hatten sich Eisenhydroxid und Neutralisierungssalze abgelagert. Der Saubach ist auf das schlimmste versaut!


Mündung des Floßgrabens in die an Eisenhydroxid reiche Pleiße, 29.03.2006. Fotos: NABU Leipzig
Mündung des Floßgrabens in die an Eisenhydroxid reiche Pleiße, 29.03.2006. Fotos: NABU Leipzig

Dies ist nur ein besonders drastisches Beispiel von mehreren. Mit der zunehmenden Flutung der Bergbaufolgelandschaft steigt die Ausleitung schwefelsaurer und Eisenhydroxid reicher Kippenabwässer in die Nebenflüsse und schließlich damit in die Pleiße selbst.

Doch nun ist auch die Flutung des Tagebaurestloches Zwenkau im Gange. Das Kippengelände des ehemaligen Tagebaus hat einen besonders hohen Pyritgehalt, was auch an der dunkel rostroten Färbung des Wassers im Restloch zu sehen ist. Bisher hat noch keiner der Sanierer bei der LMBV auch nur ansatzweise ein fertiges Konzept, wie der See zu neutralisieren ist, da man noch nicht weiß, wieviel Pyrit sich aus der ehemaligen Absetzerrippenkippe löst, die im zukünftigen See eine Flachwasserzone mit sauerstoffhaltiger Wasserschicht werden wird. Damit der Cospudener See als Naherholungsgewässer nicht nachhaltig gefährdet wird, soll das neutralisierte Wasser durch einen neu zu bauenden Floßgraben durch die Neue Harth abgeleitet werden.

Je besser das Wasser aus dem Zwenkauer See neutralisiert wird, desto stärker ist es mit Neutralisierungssalzen belastet. Doch die eigentliche Gefahr liegt in dem Graben selbst. Um auch größere Wassermengen abführen zu können, wird er entsprechend groß und tief geplant. Dabei führt er ca. 2,5 km durch tertiäre Kippsubstrate in der Neuen Hart. Wegen seiner Tiefe wird er hier zukünftig entwässernd wirken. In den entwässerten Boden dringt Luft mit Sauerstoff ein und oxidiert ganz allmählich das hier vorhandene Pyrit. Dies wurde bereits in den letzten Jahren ersichtlich. Je mehr man die Entwässerungsgräben zur Trockenlegung der Forstflächen eintiefte, umso lebensfeindlicher wurde die Qualität des Wassers, welches aus ihnen heraus kam. War Anfangs der östliche der drei Schönungsteiche noch Balz- und Reproduktionsgewässer der Wechselkröte, so hat sich diese immer weiter nach Westen zurückgezogen.

Also selbst wenn man das Wasser aus dem Zwenkauer See neutralisiert, so wird es beim Durchfluss durch den Neuen Floßgraben in der Neuen Harth wieder mit Schwefelsäure und Eisenhydroxid belastet. Dies gefährdet extrem den Floßgraben im Leipziger Auwald und damit insgesamt das FFH-Gebiet Leipziger Auensystem.

Im Moment gehört der Floßgraben in Leipzig zu einem der besten Fließgewässer mit klarem Wasser sowie z. B. reichlich Fischfauna und hoher Eisvogeldichte. Diese Lebensraumqualität ist durch den Neuen Floßgraben entsprechend der derzeitigen Planungen extrem gefährdet!

Für das Planfeststellungsverfahren zum Wasserrecht für das Tagebaurestloch Zwenkau wurde die LMBV vom Regierungspräsidium Leipzig zur Anfertigung eines artenschutzrechtlichen Fachbeitrags aufgefordert. Dass allerdings das RP Leipzig hier die Auswertung von Daten älterer Erfassungen für ausreichend hält, ist ein Skandal! Die Bergbaufolgelandschaft unterliegt einer starken Dynamik, einem steten Wandel - der Sukzession. Damit sind Daten, die vor 5 bis 10 Jahren erhoben wurden Schnee von gestern, wo doch jährlich neue Arten zuwandern.

Genau so schlimm ist die grob fahrlässige Blauäugigkeit der Autoren diese Fachbeitrags, die nicht nur völlig unerfahren mit der Ökologie von Bergbaufolgelandschaften zu sein scheinen, sondern auch im Wasseranstieg und im Bau des Grabens eine Verbesserung für gefährdete und gesetzlich geschützte Tierarten erwarten. Dabei wird an keiner Stelle dieses Beitrags auf die zu erwartende Wasserqualität eingegangen - frei nach dem Motto, wenn das Wasser kommt, wird alles gut. Auch haben die Autoren einen Lärchenforst als Laubbaumwald kartiert, hunderte von Orchideen übersehen und auch die Biotopansprache nach einer einmaligen Begehung im März lässt sehr zu wünschen. Es ist völlig unverständlich, warum hier nicht ein Büro oder Biologen mit regionaler Kompetenz in Bergbaufolgelandschaften eingesetzt wurden.

Nicht nur die in den nächsten Jahren zunehmende Belastung der Pleiße, sondern auch die drohende Belastung des Floßgrabens mit verdünnter Schwefelsäure und Eisenhydroxid-Schwebstoffen stellen eine schwerwiegende Gefährdung der Leipziger Fließgewässer und des angrenzenden Auwaldes dar. Die Eisenhydroxid-Schwebepartikel verfangen sich in den Kiemen von Fischen und können zu einer nachhaltigen Schädigung dieser führen. Die drohende Gefährdung ist offenbar so groß, dass nach inoffizieller Information in den Behörden bereits erste Überlegungen im Gange sind, die Fließgewässer in Leipzig zu trennen - in ein südwestliches System, welches durch die wenig belastete Weiße Elster gespeist wird und ein östlich-nördliches System, welches von der schwer belasteten Pleiße gespeist wird.

Es ist deshalb dringend erforderlich, neue Wege bei der Bergbausanierung zu gehen! Unsere Bäche und Flüsse dürfen nicht zu braunen Abwasserkanälen werden!

Je mehr Kippen aus tertiärem Substrat durch Gräben entwässert werden, umso mehr wird Pyrit belüftet und aktiviert, es werden Schwefelsäure und Eisenhydroxid freigesetzt. Deshalb sollten die Kippen so wenig, wie absolut notwendig, entwässert werden und lieber großflächig Bereiche versumpfen. Für den Floßgraben in der Neuen Harth ist wahrscheinlich eine flache, sehr breite Mulde, die zudem noch mit quartärem Substrat überschichtet wird, besser, als ein tiefer Graben. Das Wasser würde dann auf breiter Front langsamer und seicht durch die Vegetation dahin fließen. Naturschutzfachlich würde so eine Niedermoor-Bachaue nachempfunden, wie sie bis vor 150 Jahren für die meisten Bäche im Südraum Leipzig charakteristisch war. (Diese Prognose erlaube ich mir auf Grund meiner jahrelangen Tätigkeit in Bergbaufolgelandschaften einschließlich ihrer wissenschaftlichen ökologischen Erforschung als Diplom-Biologe.)

Umdenken bei der Sanierung tertiärer Kippen bedeutet: weniger Entwässerungskanäle ⇒ mehr Versumpfung und Vermoorung tertiärer Kippen zulassen ⇒ weniger intensiv nutzbare Forstplantagen!

 

Karl Heyde, 11.09.2008