NABU kritisiert Floßgrabenschutz

Eisvogelbrut wird durch die neue Allgemeinverfügung nicht ausreichend geschützt

Foto: NABU/Thomas Munk
Foto: NABU/Thomas Munk

Der Floßgraben ist ein Juwel in der Leipziger Auenlandschaft. Nach europäischem und deutschem Naturschutzrecht ist er ein geschützter Lebensraum unter anderem für den Eisvogel, der darunter zu leiden hat, dass ihm durch menschliche Eingriffe immer mehr Brut- und Jagdmöglichkeiten verloren gehen. Im Leipziger Auenökosystem hat er sie noch, aber zunehmend werden ihm die Reviere streitig gemacht. Es ist notwendig, das Miteinander zu regeln, wenn der Mensch auch die letzten Rückzugsräume dieser gesetzlich besonders geschützten Tierart in Anspruch nehmen möchte. Die Stadt Leipzig hat der Nutzung mit einer Allgemeinverfügung zum Schutz des Eisvogels in den letzten beiden Jahren Grenzen gesetzt. Mit einem „Monitoring“ wurde kontrolliert, ob die Auflagen ausreichen, den Bruterfolg zu sichern.
In der Brutsaison 2014 durften muskelkraftbetriebene Boote nur von 11 bis 13 und von 16 bis 18 Uhr durch den Floßgraben fahren. Außerhalb dieser Zeiten sollte der Eisvogel ungestört jagen und seine Jungen versorgen können. Außerdem war das Betreten der Uferbereiche verboten. Die Einhaltung dieser Vorschriften wurde jedoch nur stichprobenartig überwacht und konnte nicht konsequent durchgesetzt werden. Beim Monitoring wurde daher festgestellt, dass es zu zahlreichen Verstößen gegen die Allgemeinverfügung kam. Beispielsweise haben sich viele Bootsfahrer nicht an die Sperrzeiten gehalten, auch das Verbot, die Uferbereiche zu betreten, wurde vielfach nicht eingehalten.
Dass die Leipziger Presse zugleich über einen „Paddel-Rekord“ und ein „Allzeit-Hoch“ bei der Schleusen-Nutzung jubelt, verdeutlicht, wie intensiv der Floßgraben in diesem Jahr wassertouristisch genutzt wurde.

 

Nur wenige Jungvögel wurden 2014 flügge

Unter diesen ungünstigen Bedingungen mussten die Eisvögel im Floßgraben brüten, entsprechend gering ist die tatsächliche Erfolgsquote dieser Bruten. Angesichts des milden Winters war es eigentlich ein günstiges Jahr für Eisvögel, im Bruterfolg hat sich das aber nicht widergespiegelt. Denn der Bruterfolg ist an der Zahl der flüggen Jungvögel zu messen, nicht allein daran, ob eine Brut stattgefunden hat.
Zudem konnte der Naturschutzbund NABU beobachten, dass Störungen dazu führten, dass Jungvögel Beutegreifern zum Opfer fielen oder sich bei einer panischen Flucht verletzt haben. Insgesamt zeigen die Eisvögel und auch andere Tierarten als Reaktion auf die häufige Beunruhigung bereits unnatürliche Verhaltensweisen. Durch Störungen und Gewässertrübungen sind sie zum Teil gezwungen, auf andere Gebiete auszuweichen. Das kostet Energie und erhöht das Risiko für die Tiere.
Die logische Konsequenz wäre, in der kommenden Brutsaison, die Allgemeinverfügung konsequent zu kontrollieren und ihre Einhaltung zu sichern. Wirksame Absperrungen der Uferbereiche und des Flusses außerhalb der Öffnungszeiten wären sinnvoll. Ausnahmen, beispielsweise für Motorboote, sollte es generell nicht geben.
Stattdessen aber plant die Stadtverwaltung, die Öffnungszeiten in der Brutsaison auszuweiten. Zudem ist zu befürchten, dass mangels Kontrollen auch die verkürzten Sperrzeiten missachtet werden, wodurch die Störzeiten weiter zunehmen werden. Das dürfte den Bruterfolg der Eisvögel im Floßgraben, der eigentlich ideale Bedingungen bietet, weiter verringern. Von den Störungen sind außerdem nicht nur die Eisvögel, sondern auch andere Tierarten in dem ökologisch sensiblen Gebiet betroffen.
Besonders unverständlich ist, warum es in den Abendstunden eine weitere Öffnungszeit des Floßgrabens geben soll. Da die Jungvögel nachts nicht gefüttert werden, ist gerade am Abend eine ungestörte Nahrungsversorgung wichtig. Außerdem können besonders Störungen am Abend dazu führen, dass die Eier auskühlen oder die Jungtiere in den Brutröhren erfrieren.

 

Leipzig muss sich zum Eisvogel bekennen

Foto: NABU/Tom Dove
Foto: NABU/Tom Dove

Weite Teile der Leipziger Auenlandschaft sind ein europäisches Vogelschutzgebiet (SPA). Hier finden mehrere Eisvogelbrutpaare noch einen Lebensraum. Das rechtfertigt nicht, einzelne Brutpaare zu opfern, ganz im Gegenteil: Leipzig hat eine internationale Verpflichtung, den hier befindlichen Eisvogellebensraum bestmöglich zu schützen.
2014 konnten mehrere brutbereite Paare beobachtet werden, die vergeblich nach einer Brutmöglichkeit gesucht haben. Das beweist aus Sicht des NABU, dass es zu wenige geeignete Uferabschnitte gibt; die bestehenden Brutreviere müssen daher unbedingt vor Störungen geschützt werden. Auf die Öffnung des Floßgrabens zwischen 20 und 22 Uhr sollte verzichtet werden, die Störzeiten tagsüber sollten auf zwei mal zwei Stunden begrenzt sein und konsequent kontrolliert werden.
Eine naturverträgliche Nutzung des Floßgrabens muss auch im Interesse eines nachhaltigen Auwaldtourismus garantiert werden. Verschiedene Tourismusregionen weltweit beweisen, dass begründete Nutzungsbeschränkungen zum Schutz des Naturerbes durchaus akzeptiert werden und auch die Attraktivität solcher Gebiete erhöhen können. Zum Teil werden für Wanderwege oder Bootspassagen sogar Eintrittsgelder gezahlt. Wenn jedoch Verantwortliche die Begründung selbst anzweifeln und Auflagen nicht konsequent durchsetzen, kann eine breite Akzeptanz nicht erreicht werden. Für den Floßgraben sollte ein naturverträgliches Nutzungskonzept erarbeitet werden, die Naturschutzverbände haben dafür bereits Vorschläge gemacht, und der NABU ist weiterhin gesprächsbereit. Mit der Allgemeinverfügung für 2015 wird die Stadt nach Auffassung des NABU Leipzig ihrer naturschutzrechtlichen Aufgabe nicht gerecht.

 

Positionspapier des NABU Leipzig     Informationen zum Eisvogel