Bedrohter Wiesenbrüter

Der Kiebitz ist Vogel des Jahres 2024

Foto: NABU/Kathy Büscher
Foto: NABU/Kathy Büscher

Der Kiebitz (Vanellus vanellus) hat die Wahl zum Vogel des Jahres gewonnen. Die Menschen haben damit einen Vogel gewählt, der durch die Trockenlegung von Feuchtwiesen und durch intensive Landwirtschaft in vielen Gegenden massiv zurückgegangen ist. Der neue Jahresvogel wird in der „Roten Liste“ als stark gefährdet geführt.

 

Der etwa taubengroße Wiesenbrüter hat ein im Licht metallisch grün oder violett glänzendes Gefieder. Auffallend sind auch die Federholle auf dem Kopf und die breiten gerundeten Flügel. Kiebitze konnte man ursprünglich vor allem in Mooren und auf Feuchtwiesen finden, heute brüten sie auch auf Äckern und Wiesen, und die Bestände leiden unter Austrocknung und intensiver Landnutzung. Ihr Nest besteht aus einer Bodenmulde, meist legen sie vier Eier.

 

„Gaukler der Lüfte“

Kiebitze sind Teilzieher. Einige überwintern bei milder Witterung in Deutschland und ein anderer Teil zieht in die Wintergebiete in Frankreich, Spanien, Großbritannien und den Niederlanden. Beeindruckend sind die Flugmanöver zur Balzzeit: Die „Gaukler der Lüfte“ drehen Schleifen über ihrem Revier, stürzen sich in akrobatischen Flugmanövern gen Boden und dabei kann man ihre lauten Rufe weithin hören: „Kie-wit“ – diesem Ruf verdankt der Kiebitz seinen Namen.

Heute machen vor allem die Entwässerung und der Verlust von Feuchtwiesen der Art schwer zu schaffen. Darum war der Slogan des Kiebitz bei der Wahl zum Vogel des Jahres: „Wasser marsch!“ Die Renaturierung von Feuchtwiesen und Mooren könnte den Rückgang der Art aufhalten. Helfen kann man dem Kiebitz auch, indem man ökologisch und regional erzeugte Lebensmittel kauft.

 

Der Kiebitz in Sachsen

In Sachsen verzeichnet der Kiebitz einen Rückgang von über 90 Prozent in den letzten 40 Jahren. Nach aktuellen Schätzungen gibt es maximal noch 100 Brutpaare. Damit gehören Kiebitze laut Roter Liste Sachsen zu einer vom Aussterben bedrohten Vogelart. Hilfe für den Kiebitz leistet unter anderem der NABU Leipzig, der im November 2022 ein umfassendes Wiedervernässungsprojekt rund um die Feldlache in Großdeuben, südlich von Leipzig, gestartet hat. Bis vor etwa fünf Jahren befand sich hier eines der wichtigsten Kiebitzbrutgebiete in Sachsen, mit bis zu 20 Brutpaaren. Die inzwischen aus der Nutzung genommene Ackerfläche bietet eine optimale Chance, erneut zum Hotspot für den Gaukler der Lüfte zu werden. Kleine Erfolge sind bereits erkennbar: Trotz der Trockenheit hat sich das ganze Jahr über Wasser in Teilbereichen der Senken gehalten. Um die Fläche optimal für den Kiebitz herzurichten, sind weitere Arbeitsschritte notwendig.

 

Unterstützen kann man den NABU Leipzig beim Kiebitzschutz durch eine Spende für die Wiedervernässung. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit der aktiven Mitarbeit. Interessierte können sich per E-Mail melden. Weitere Informationen

 

Wahlsieger Kiebitz

Vogel des Jahres 2024: die Ergebnisse im Überblick - Grafik: NABU
Abbildung: NABU

Bei der Wahl zum Vogel des Jahres 2024 setzte sich der Kiebitz gegen vier andere Kandidaten durch. Bei der vierten öffentlichen Wahl zum Vogel des Jahres haben fast 120.0000 Menschen mitgemacht. Rund 28 Prozent der Stimmen entfielen auf den Kiebitz, rund 23 Prozent auf den Steinkauz, 21,5 Prozent auf das Rebhuhn, rund 19 Prozent auf die Rauchschwalbe und 8,5 Prozent auf den Wespenbussard. Der Kiebitz löst damit das Braunkehlchen ab, das 2023 Vogel des Jahres war.

 

Der „Vogel des Jahres“ wurde in Deutschland erstmals im Jahr 1971 gekürt. Seit 2021 wird er durch eine öffentliche Wahl bestimmt. Der Kiebitz war 1996 schon einmal Vogel des Jahres.

 

Kiebitzschutz in Leipzigs Umland

2019 gab es in Sachsen noch rund 100 Brutpaare des Kiebitzes. Die AG Kiebitzschutz des NABU Leipzig kümmert

sich seit dem Jahr 2021 um den Schutz dieser Art im Leipziger Umland, um den Bestand zu stabilisieren. Mit dem sympatischen Vogel kann der NABU zudem auf die Notwendigkeit einer Agrarwende aufmerksam machen hin zu mehr Naturschutz und Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft. 2024 ist der Kiebitz nun sogar als Vogel des Jahres Botschafter für dieses Anliegen.

 

Abstecken von Nestern

Die Kiebitzschützer des NABU Leipzig begutachtet im wöchentlichen Turnus von März bis Juli die meisten der aktuell besetzten, ehemals sowie unregelmäßig besetzten Brutgebiete in der Region. Sobald Balzhandlungen beobachtet werden, wird die Naturschutzbehörde informiert. Die Nester werden dann bis zum Schlupf der Jungvögel abgesteckt, damit der Landwirt diese bei den Bearbeitungsgängen umfährt. Wenn die Nester nicht auffindbar sind oder aus Störungsgründen nicht aufgesucht werden, sollte die Naturschutzbehörde im Regelfall einen größeren Bereich um die Nester abstecken.

 

Die Kiebitznester werden von NABU-Aktiven abgesteckt, damit der Landwirt diese umfährt. Foto: Michael Dech
Die Kiebitznester werden von NABU-Aktiven abgesteckt, damit der Landwirt diese umfährt. Foto: Michael Dech

Jede Feldlache zählt

Zum Brutgebiet des Kiebitz‘ gehören Vernässungsstellen in der Agrarlandschaft oder größere Feuchtgebiete wie Tagebaue, Grubengewässer, Seen und Teichgebiete. Wenn eine freie Rundumsicht um das Nest sowie Störungsfreiheit nicht gegeben sind, siedeln sie sich bis in ein Kilometer Entfernung (und darüber hinaus) zum Feuchtgebiet an. Dies können Äcker, Grünland oder Brachen sein, wenn die Fläche vegetationslos ist bzw. die Vegetation 20 Zentimeter nicht überschreitet. Nach dem Schlupf laufen die Elterntiere mit den Jungen zum Gewässer.

 

Die Insel in der Gärnitzer Lache wird gerne für die Nestanlage gewählt. Hier können die Kiebitze ungestört vor Prädatoren wie dem Fuchs brüten. Je nach Wasserstand kommen an der Gärnitzer Lache große Schlammflächen zum Vorschein, die Lebensraum für Limikolen wie den Kiebitz darstellen. Fotos: Michael Dech

 

Gärnitzer Lachen

Die Gärnitzer Lachen sind ein Feuchtgebiet in einer Ackerlandschaft, welches durch Absackungen eines ehemaligen Untertagebaus entstanden ist. Der Kiebitz brütet hier seit den 2010er-Jahren. Der NABU Leipzig hat erwirkt, dass der gesetzlich vorgeschriebene Abstand der Äcker zum Gewässer hinsichtlich Dünger- und Pestizidverzicht eingehalten wird. Das Gebiet ist zudem durch die seit 2018 vorhandene Trockenheit gefährdet: Es wachsen überall vereinzelte Weiden auf. Mithilfe der Naturschutzbehörde konnte der Landwirt dazu gebracht werden, das Gebiet einmal im Jahr zu mähen oder zu mulchen, um den Weidenaufwuchs zu entfernen.
Ein kleines Weidenwäldchen wird im Jahr 2024 samt der Wurzeln durch eine Fachfirma entfernt, hierfür hofft der NABU Leipzig auf Fördergeld. Ziel ist die Vergrößerung der offenen Wasserfläche und die Beseitigung vertikaler Strukturen, die den Kiebitz bei der Brutansiedlung behindern.

 

 

Im Frühjahr 2023 gab es gleich zwei Inseln innerhalb der Gärnitzer Lache. Fotos: Michael Dech

 

Die Bemühungen um die Gärnitzer Lachen dienen auch der übrigen Vogelwelt und den Amphibien. Zur Zugzeit finden sich dutzende Wasservögel und Limikolen ein, im Frühjahr brüten hier Flussregenpfeifer, Enten, Rallen und gelegentlich Brandgänse. Das Gebiet ist das letzte Laichgebiet für die lokal vom Aussterben bedrohte Rotbauchunke. Daneben laichen hier Kammmolch, Wechselkröte, Knoblauchkröte, Teichmolch, Erdkröte und Grünfrösche.


Im Zeitraum 2024 bis 2027 werden auf einem angrenzenden Acker ein bis zwei Hektar große Kiebitzinseln angelegt. Diese selbst begrünten Brachen werden einmal jährlich nach der Brutzeit gemäht. Bei zu hoher Vegetation Anfang des Jahres, wird die Fläche etwa bis Mitte März noch einmal aufgeraut. Weil die AUK-Förderung für Brachen viel zu niedrig für den Landwirt ist, wird die Maßnahme mithilfe einer privaten Spende aufgestockt, die direkt für den Kiebitz beim NABU Sachsen eingegangen ist.

 

Feldlache Großdeuben

Bereits einen Monat nach Anlage der Gewässer in Großdeuben füllten sich die Vertiefungen mit Wasser. Foto: NABU Leipzig, Januar 2023
Bereits einen Monat nach Anlage der Gewässer in Großdeuben füllten sich die Vertiefungen mit Wasser. Foto: NABU Leipzig, Januar 2023

Die ehemalige Feldlache Großdeuben ist ebenso durch Absackungen inmitten einer Ackerlandschaft entstanden. Hier brüteten bis Mitte der 2010er-Jahre über 20 Kiebitzpaare. Durch Entwässerung ist das Gebiet trockengefallen und seitdem verwaist.

 

Die 5,83 Hektar große Fläche ist durch eine Ausgleichsmaßnahme eigentlich für den Kiebitz vorgehalten. Deshalb zeigten sich die neue Landwirtin und die Naturschutzbehörde kooperativ und der NABU Leipzig konnte Ende 2022 ein tieferes Gewässer und mehrere Tümpel anlegen. Finanziert wurde die Wiedervernässung über Fördermittel und teils vom NABU. Umgeben sind die Gewässer von einer Brache, die durch Drängen des NABU Leipzig nun jährlich außerhalb der Brutzeit kiebitzgerecht gepflegt wird. Im Jahr 2023 wurde die Pflege durch eine Spende, die beim NABU für den Kiebitz eingegangen ist, finanziert.

 

Im ersten Jahr konnte der NABU hier noch keinen Kiebitz nachweisen, jedoch wurden zur Fortpflanzungszeit Amphibien, Braunkehlchen, Schwarzkehlchen, Neuntöter, Grauammern, Schafstelzen, Bachstelzen, Feldlerchen, Graugänse und Flussregenpfeifer festgestellt. Überdies werden die Lachen von Kranich, Grau- und Nilgans, Graureiher, Kolkrabe, Rabenkrähe, diversen Singvogel- und Säugetierarten zum Trinken, Baden und zur Nahrungssuche aufgesucht. Das Beispiel zeigt, wie wichtig der Erhalt, die Anlage und Pflege von Kleingewässern in der Agrarlandschaft sind.

 

In dem neu angelegten Gewässer bei Großdeuben hielt sich das Wasser das ganze Jahr über. Foto: Michael Dech, September 2023
In dem neu angelegten Gewässer bei Großdeuben hielt sich das Wasser das ganze Jahr über. Foto: Michael Dech, September 2023

 

Brutplätze bitte melden!

Neben den allgemein bekannten Kiebitzbrutplätzen existieren wahrscheinlich noch weitere Brutplätze der Limikolenart in Sachsen. Dies betrifft vor allem Ackerbruten im Umfeld von Grubengewässern. Hier wäre es wünschenswert, wenn lokale Ornithologen und Naturfreunde ein Auge darauf haben. Wichtig ist, dass die Naturschutzbehörde bei Balzhandlungen informiert wird. Sollte eine Beobachtung über die gesamte Brutzeit hinweg sowie das Abstecken von Nestern nicht leistbar sein, so sollte man bei der Naturschutzbehörde immer wieder nachfragen, ob sie etwas für den Schutz der Bruten gegen das Überfahren durch die landwirtschaftlichen Maschinen unternommen hat. Dort wo möglich, kann ein lokales Beobachternetz aufgebaut werden. Hierzu und zu den anderen Aktivitäten gibt der NABU Leipzig gerne Auskunft. Kontakt

 

Empfehlenswerte Broschüre

Im Praxishandbuch Kiebitzschutz sind zahlreiche Möglichkeiten erläutert, wie dem Kiebitz geholfen werden kann.

WEITERE INFORMATIONEN


Foto: Beatrice Jeschke
Foto: Beatrice Jeschke

Hilfe für die letzten Kiebitze der Region

 

Der Kiebitz war einst weit verbreitet, doch er hat seinen Lebensraum mehr und mehr verloren durch Entwässerung, Aufforstung, Trockenlegung von Mooren, intensive Grünlandnutzung, industrielle Landwirtschaft, Insektensterben und Klimawandel, aber auch durch intensive Freizeitnutzung von einstigen Brutgebieten. Der NABU Leipzig setzt sich für den Schutz der letzten Nistplätze in der Region ein und arbeitet für die Schaffung neuer Brutmöglichkeiten. mehr