Das Kleinmesse-Areal

NABU Leipzig fordert Erhalt der ökologischen Funktion im Biotopverbund

Wie soll es weitergehen mit dem Gelände der Kleinmesse? Darüber wird in Leipzig diskutiert, und das war Anlass für den NABU Leipzig, die Brutvogelfauna auf dem Gelände und den angrenzenden Flächen zu untersuchen. Dabei kam heraus, dass das Waldstück westlich des Kleinmessegeländes eine herausragende Bedeutung für den Biotopverbund zwischen nördlichem und südlichem Auwald hat. Auch für die Europäische Wildkatze (Felis silvestris) ist das Areal ein potenzieller Korridor.

 

Der NABU Leipzig fordert deshalb, die „Sonderbaufläche mit hohem Grünanteil“ aus dem Flächennutzungsplan der Stadt Leipzig zu streichen und die ökologische Funktion des Areals für den Biotopverbund zu erhalten.

 

Pressemitteilung

 

Die Ergebnisse der Brutvogelkartierung hat der NABU Leipzig am 22. Mai 2023 an die Stadtverwaltung und die Ratsfraktionen übergeben – am Internationalen Tag der Biologischen Vielfalt. Ein symbolischer Tag, um darauf hinzuweisen, dass Leipzig seinen Verpflichtungen zum Schutz der Biodiversität nachkommen muss.

 

Brutvogelerfassung auf der „Sonderbaufläche mit hohem Grünanteil“ im Flächennutzungsplan der Stadt Leipzig:

 

38 Vogelarten auf 11 Hektar

Untersuchungsgebiet an der Kleinmesse.
Untersuchungsgebiet an der Kleinmesse.

Das untersuchte Gebiet hat eine Fläche von 11 Hektar, mehr als die Hälfte davon nimmt ein geschlossenes Waldgebiet ein. Es handelt sich dabei um einen Laubwald mit unterschiedlichen Altersstufen und recht hoher Diversität: Es gibt verschiedene Arten von Untergrund, eine überwiegend stark ausgeprägte Strauchschicht und eine recht hohe Anzahl verschiedener Baumarten mit verschiedenen Altersstufen. Innerhalb des Waldes gibt es stark beschattete aber auch stark besonnte Bereiche.

Der südöstliche Teil des untersuchten Gebietes ist bereist als Naturdenkmal ausgewiesen, der östliche Teil hingegen besteht überwiegend aus dem alten Kleinmessegelände. Dieses ist nahezu komplett versiegelt, am östlichen Rand gibt es jedoch eine Baumallee.

Nach wissenschaftlichen Standards fand 2021 im Untersuchungsgebiet eine Brutvogelkartierung statt, daneben wurden als Zufallsbeobachtungen auch Nahrungsgäste und Durchzügler erfasst. Das untersuchte Areal hat eine große Bedeutung als Vogelbrutgebiet. Im Rahmen der Erfassung wurden 38 Vogelarten festgestellt. Es handelt sich dabei um 23 Brutvogelarten, 19 Nahrungsgäste und 7 Durchzügler, wobei einige Arten mehreren der drei Kategorien angehören.

 

Für die Brutvögel dient das Areal der Fortpflanzung, aber auch für die Nahrungsgäste, die ihre Brutgebiete in der Nähe des Wäldchens und der Kleinmesse hatten, ist es unverzichtbar. Die Durchzügler wiederum nutzen das Gelände für eine gewisse Zeit zum Verweilen – auch solche Ratsplätze sind unverzichtbar für die Vogelwelt.
 

Ein Nadelöhr für die Auwaldnatur

Sperber. Symbolfoto: Beatrice Jeschke
Sperber. Symbolfoto: Beatrice Jeschke

107 Brutpaare wurden kartiert, es handelt sich dabei überwiegend um typische Brutvogelarten der Wälder und Parks. Die häufigsten Arten waren Mönchsgrasmücke mit 15 Brutpaaren, gefolgt von Buchfink (12), Zilpzalp (12), Kohlmeise (11), Rotkehlchen (11), Amsel (10), Blaumeise (6) und Ringeltaube (6). Mit jeweils nur einem Brutpaar wurden Eichelhäher, Gartenbaumläufer, Gartengrasmücke, Girlitz, Grünfink, Kleinspecht, Rabenkrähe, Sommergoldhähnchen, Sperber und Zaunkönig festgestellt.

In der Roten Liste der Brutvögel Deutschlands sind Kleinspecht und Star als gefährdet (RL 3) eingestuft. Zudem gilt der Sperber nach BNatSchG als streng geschützt. Anhand der recht hohen Anzahl an Höhlenbrüterarten und deren Anzahl an Brutpaaren ist zu erkennen, dass es sich um einen ökologisch wertvollen Wald mit vielen Höhlenbäumen handelt.

Als bemerkenswerter Durchzügler wurde ein Wendehals erfasst, der Wald hat zudem Potenzial als Waldkauz-Lebensraum, es fanden aber keine Nachterfassungen statt, sodass hierfür der Nachweis fehlt.

Das untersuchte Gebiet mit dem Wald und der daneben liegenden Kleinmesse ist somit ein Areal, welches eine wichtige Rolle für die Vogelwelt spielt. Diese Wertigkeit wird zusätzlich dadurch untermauert, dass es sich bei dem als „Sonderbaufläche mit hohem Grünanteil“ im FNP der Stadt Leipzig deklarierten Gebiet um ein Nadelöhr zwischen nördlichem und südlichem Auwald handelt. Der Leipziger Auwald ist ein zusammenhängendes SPA- und FFH-Gebiet des Schutzgebietssystems Natura 2000, welches östlich an das untersuchte Gebiet angrenzt. Für zahlreiche Vogel-, Säugetier-, Amphibien-, Reptilien-, Insekten- und Pflanzenarten sind das Untersuchungsgebiet sowie der östlich daran angrenzende schmale Natura-2000-Streifen ein bedeutsames Biotopverbundelement. Diese zusammenhängenden Grünstreifen (Wald, parkartige Strukturen, Uferbereiche, Wasserfläche) benötigen einige Arten, um zwischen nördlichem und südlichem Auwald hin- und herzuwandern. Manche Arten (Schnecken, nicht flugfähige Insektengruppen wie z.B. Laufkäfer) benötigen diese Achsen als Ausbreitungselemente, ohne die eine Neubesiedlung des nördlichen oder südlichen Auwaldes unmöglich wäre. Die vielen in Ost-West-Richtung verlaufenden Straßen ohne Unterführungen oder Grünbrücken, stellen ihrerseits bereits Barrieren für Tier- und Pflanzenarten dar.

Biotopverbundfunktion erhalten und fördern

Wildkatze. Symbolfoto: NABU/Marco Frank
Wildkatze. Symbolfoto: NABU/Marco Frank

Der Korridor ist auch bedeutsam für die Europäische Wildkatze (Felis silvestris), die in Sachsen eine bedeutende Ziel-art für den landesweiten Biotopverbund ist. Seit einigen Jahren dokumentiert der BUND Sachsen das Vorkommen und die Entwicklung des Wildkatzenbestandes im Leipziger Auwald. Bisher kommt sie nur im „nördlichen Auwald“ vor und wurde noch nicht im „südlichen Auwald“ festgestellt. Der südlichste bekannte Fundort befindet sich im Bereich der Hans-Driesch-Straße in weniger als 1 km Entfernung zum untersuchten Gebiet an der Kleinmesse. Dies macht die Dringlichkeit des Erhalts sämtlicher Grünzüge in dem Nadelöhr deutlich. Die Wildkatze hat sich in den letzten Jahren erfolgreich fortgepflanzt, nun wollen einige Tiere abwandern und benötigen dafür geeignete Wanderkorridore. Für die weitere Ausbreitung der Wildkatze in Richtung südlicher Auwald sind unzerschnittene Grün- und Waldstreifen deshalb unerlässlich.

Eine Bebauung des Waldgebietes würde den Zielen der FFH-Richtlinie (Wildkatze als Anhang-Vier-Art), aber auch der besonderen Rolle des FFH-Gebietes „Leipziger Auensystem“ zuwiderlaufen. Es ist daher erforderlich, dass die verantwortlichen Akteure in der Stadt, sich der ökologischen Bedeutung vorhandener Lebensräume und ihrer Funktion für den Biotopverbund sowie den Erhalt der Artenvielfalt bewusst werden. Dem Kleinmesse-Areal kommt dabei eine herausragende Bedeutung zu. Bebauungspläne sind mit dieser Bedeutung unvereinbar. Der NABU Leipzig fordert deshalb, die „Sonderbaufläche mit hohem Grünanteil“ aus dem Flächennutzungsplan der Stadt Leipzig zu streichen und das Gebiet keinesfalls Bauprojekten zu opfern. Förderlich wäre hingegen der bewusste Erhalt des ökologisch bedeutsamen Gebietes und seine Aufwertung für den Erhalt der Biodiversität und für den Biotopverbund.

Brutreviermittelpunkte der Brutvögel an der Kleinmesse 2021. Kartengrundlage: google-maps-Satellit, abgerufen am 03.02.2023

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