Naturschutz heute – Ausgabe 3/00 vom 28. Juli 2000


Neues Leben für die Aue

Ein erfolgversprechendes Wiedervernässungsprojekt bei Leipzig

von Ralf Mäkert & Justus Oertner

In der nordwestlichen Leipziger Aue beginnt ein Traum wahr zu werden: die Wiedervernässung nicht mehr überfluteter Auwaldbereiche. Das Leipziger Projekt ist nach der Rheinaue die zweitgrößte Auenwiedervernässung in Deutschland. Das Flussgebiet der Weißen Elster weist hier seit vielen Jahrhunderten eine Besonderheit auf. Im Stadtgebiet von Leipzig zweigt die Luppe ab, bildet eine gemeinsame Aue mit der Weißen Elster und mündet getrennt von ihr 25 Kilometer weiter westlich bei Halle in die Saale. Nach der letzten Eiszeit war dort ein Binnendelta entstanden. Zu Anfang des 19. Jahrhunderts gab es noch eine Vielzahl von Nebenarmen und Verzweigungen, die große Teile der Aue ein- oder mehrmals im Jahr überfluteten.

 

Mit der Lupperegulierung 1934 bis 1938 schuf der Mensch jedoch ein neues, eingetieftes Flussbett, um Hochwasser abzuführen und Ackerflächen zu gewinnen. Seitdem gab es nur noch kleinflächige Überflutungen, ein Rückgang der wassergebundenen Tier- und Pflanzenwelt war die Folge. In der Folgezeit hat sich die Neue Luppe noch tiefer in das Gelände eingeschnitten und wirkt so entwässernd auf die angrenzenden Gebiete der Aue. Daher wurden Altwasser und stillgelegte Lehmabbaugebiete zu bedeutenden Rückzugsgebieten für viele Arten der Flussaue.

 

Auwald in Großstadtnähe

Noch immer ist der Leipziger Auwald mit seiner Großstadtnähe und seiner Vielfalt an Biotopen und Arten einzigartig in Europa. So kommen allein im Naturschutzgebiet Burgaue 153 holzbewohnende Käferarten vor, darunter deutschlandweit vom Aussterben bedrohte Arten. Große Teile der Elster-Luppe-Aue mit ihrem natürlichen Artenspektrum sind noch vorhanden, jedoch begannen in den letzten Jahrzehnten auch die noch verbliebenen, sekundären Feuchtbiotope auszutrocknen. So kam es, dass bereits seit den achtziger Jahren ehrenamtliche Naturschützer, vor allem der Leipziger Roland Zitschke, die Situation dokumentierten und immer wieder "Wasser für die Aue" forderten. Diese Anstrengungen führten schließlich zu einem gemeinsamen Revitalisierungsprojekt von NABU, Amt für Umweltschutz der Stadt Leipzig und Sächsischem Ministerium für Umwelt und Landwirtschaft.

 

Dabei wurden noch vorhandene Altarme und Hochwasser-Abflussrinnen in der Burgaue, einem Teilgebiet der nordwestlichen Leipziger Aue, verbunden und zu einem durchgehenden Fließgewässer entwickelt, dem Burgauenbach. Dies schuf Voraussetzungen für die Vernässung weiterer Bereiche. Eine gezielte Wasserüberleitung stabilisiert den Wasserhaushalt der Aue. Trockengefallene Feuchtbiotope werden durch Wiedervernässen verbessert und wertvolle Feuchtgebiete erhalten. Durch Verketten isolierter Biotope entsteht ein Biotopverbund, wobei ein langsamer Abfluss mit jahreszeitlichen Schwankungen dafür sorgt, dass möglichst viel Wasser in der Aue bleibt und der Grundwasserstand lokal angehoben wird. Das NABU-Naturschutzinstitut Region Leipzig dokumentiert durch Begleituntersuchungen über mehrere Jahre die Wirkung der Wasserführung auf Tiere und Pflanzen.

 

Wiederentstandener Burgauenbach

Vom Elsterbecken westlich des Leipziger Stadtzentrums führt der Burgauenbach durch die Forstreviere Wilder Mann, Leutzscher Holz und durch die Burgaue bis zur so genannten Waldspitze Böhlitz-Ehrenberg, einem vom Austrocknen bedrohten Feuchtgebiet. Hier leben unter anderem 22 Libellenarten, zum Beispiel die Keilflecklibelle und die Kleine Mosaikjungfer, beide in Sachsen vom Aussterben bedroht.

 

Nach der Plangenehmigung begannen im Dezember 1997 die Bauarbeiten. Hochwasser-Abflussrinnen, Hohlformen und Altarme in der Burgaue wurden verbunden und nachprofiliert. Danach wurden Durchlässe an Wegen und ein Entnahmebauwerk am Elsterbecken fertiggestellt. Eine Tiefbaugesellschaft verpresste Rohre für zwei Düker, denn eine große Abwasserleitung und die Bahnstrecke Erfurt-Leipzig waren zu unterqueren. Je ein vorhandener Durchlass unter einer weiteren Bahnstrecke und einer stark befahrenen Straße wurden saniert. Bei einer Straßenerneuerung soll an dieser Stelle eine Brücke mit Tierdurchlass entstehen.

 

Fünf Kilometer sind fertig

Um den zusätzlichen Eintrag von Nährstoffen mit dem Wasser aus dem Elsterbecken zu verringern, durchströmt der Burgauenbach am Anfang der Fließstrecke ein Schilfgebiet als Biofilter. Der Schilffilter soll die Wasserqualität zur Überleitung in den Burgauenbach verbessern. Dieser Bereich wurde schon im ersten Jahr von Erdkröte und Grasfrosch als Laichplatz angenommen. Nach dem Abschluss der Bauarbeiten an über fünf Kilometer Fließstrecke erfolgte die feierliche Eröffnung des Burgauenbaches am 22. März 1999. Die Projektkosten in Höhe von etwa 1,5 Millionen Mark setzen sich aus Fördermitteln des Sächsischen Ministeriums für Umwelt und Landwirtschaft sowie Eigenmitteln des NABU und der Stadt Leipzig zusammen. Für die Eigenmittel des NABU wurden Umweltschutz-Telefonkarten verkauft.

 

Mit dem ersten Abschnitt des Burgauenbaches werden Altarme und frühere Überflutungsflächen vernässt. In der nächsten Phase ist die Wasserführung in westliche Richtung auf weiteren fünf Kilometern Länge vorgesehen, um zum Beispiel das Altwasser Kulke zu erhalten und einen verschütteten Flusslauf, die Heuwegluppe, wieder zu eröffnen. Dies kommt den Plänen der Landestalsperrenverwaltung Sachsen entgegen, große Abschnitte der nicht mehr standsicheren Luppedeiche abzutragen. Der Burgauenbach wäre hier zur Aufnahme des überschüssigen Wassers und zum Schutz einzelner Objekte in der Aue bestens geeignet.

 

Inzwischen wird an einer Pflege- und Entwicklungskonzeption für den Leipziger Auwald gearbeitet, die auch die genannten Renaturierungsprojekte einschließt.


Naturschutz heute ist das Mitgliedermagazin des 1899 gegründeten Naturschutzbundes Deutschland (NABU). Mehr über den NABU und seine Aktivitäten unter www.NABU.de.