Ein Runder Tisch ohne Diskurs

Umweltverbände erklären ihren Rücktritt vom Runden Tisch zum Wassertouristischen Nutzungskonzept

Die Umweltverbände NABU Leipzig, BUND Leipzig und Ökolöwe sowie der Bürgerverein Pro Leipzig haben ihren Rücktritt vom sogenannten Runden Tisch zur Fortschreibung des Wassertouristischen Nutzungs­konzepts (WTNK) erklärt.

 

Die Verbände kritisieren, dass Verwaltung und Politik die Gewässer ausschließlich aus dem Blickwinkel betrachten, Boots- und Schiffsverkehr zu verstärken. Weder der Gesamtplan noch Abschnitte oder Einzelprojekte sowie Folgen der Umsetzung stehen wirklich zur Debatte. Da andere Entwicklungslinien gar nicht betrachtet werden, ist konstruktives Arbeiten an gemeinsamen Lösungen unmöglich. Unter diesen Umständen sehen die Verbände es als nicht zielführend an, weiterhin am Runden Tisch teilzunehmen. 

 

Gewässernutzung nicht zu Lasten der Natur!

Um Konflikte zu vermeiden, braucht es eine hinreichende Berücksichtigung der unterschiedlichen, möglicherweise divergierenden Interessen (beispielsweise Wasserwirtschaft, Umwelt- und Naturschutz, Sport, Erholung, Tourismus) und das am besten durch konstruktive Gespräche und fachliche Klärung. Darin bestand die Motivation der Verbände und des Bürgervereins am Runden Tisch engagiert mitzuwirken.

 

Prämissen für ein ergebnisoffenes Beteiligungsverfahren hatten die Umweltverbände bereits im Vorfeld dargelegt (Positionspapier der anerkannten Natur- und Umweltvereinigungen zum WTNK 27.07.2018). Zunächst sollten verschiedene Entwicklungsperspektiven für einzelne Gewässerabschnitte aufgezeigt werden. Um eine fundierte Abwägung zu ermöglichen, sollten dabei Chancen und Konflikte hinsichtlich Naturraum, Naherholung und Sport sowie Bau- und Bewirtschaftungskosten transparent erfasst und bewertet werden. Da dieser Diskurs am Runden Tisch bisher nicht stattfand und offensichtlich auch nicht stattfinden wird, ziehen die Verbände jetzt ihre Konsequenzen daraus.

 

Die Gewässerentwicklung ist mittlerweile durch teure Großprojekte und teilweiser Überlastung infolge intensiver Bootsnutzung geprägt. Der angestrebte weitere Ausbau für Motorboote verschärft zudem die Konflikte mit Sport und Naherholung, ohne günstige Alternativen für einen sanften Tourismus zu prüfen. Für die Verbände steht fest, dass eine lebendige und nachhaltige Gewässerlandschaft so nicht gelingt. Die begleitenden Auen- und Lebensräume werden ebenso wenig berücksichtigt, wie eine verträgliche Stadtentwicklung mit Teilhabe für jedermann. Wesentliche Synergien aus Umweltschutz, Naherholung und Sport zur Entwicklung weicher Standortvorteile bleiben ungenutzt. 

 

Verbände fordern eine Strategische Umweltprüfung des WTNK

Zeitgleich zum Runden Tisch werden eifrig Fakten geschaffen und Projekte vorangetrieben. So wurden im Zuge des Kohleausstiegs WTNK-Projekte für circa 400 Millionen Euro bei der Bundesregierung angemeldet (unter anderem Elster-Saale-Kanal, Wasserschlange Markleeberg), obwohl beim Struktur-, Energie- und Mobilitätswandel ganz andere Aufgaben zu stemmen sind. Bürgerumfragen zum Motorbootverkehr oder das Beteiligungsverfahren zum Pleißemühlgraben im Bereich der Feuerwache zeigen, dass Bürgervoten und gute Argumente wenig Berücksichtigung bei den Entscheidungsträgern finden.

 

Unter all diesen Umständen bleibt den Umweltverbänden sowie Pro Leipzig nur der Rücktritt vom Runden Tisch, um der wiederholt praktizierten Vereinnahmung durch die WTNK-Initiatoren zu begegnen. Dennoch werden die Verbände die Fortschreibung des WTNK weiterhin kritisch begleiten und konstruktive Vorschläge erarbeiten, auch im Kontext des von ihnen geforderten Genehmigungsverfahrens mit Öffentlichkeitsbeteiligung.

 

Hinsichtlich der Gewässerentwicklung und -nutzung haben die Verbände folgende Forderungen und Empfehlungen: 

  1. Aufstellung eines umfassenden Gewässerentwicklungskonzeptes unter Berücksichtigung aller damit verbundenen Interessen.
  2. Moratorium für sämtliche Maßnahmen und Projekte aus dem WTNK sowie aus dessen Fortschreibung, bis ein verbindlicher Plan mit Beteiligung der Öffentlichkeit (Strategische Umweltprüfung) entsprechend den gesetzlichen Vorgaben von den zuständigen politischen Gremien aufgestellt und beschlossen wird.
  3. Handlungsempfehlung an den Leipziger Stadtrat, die Kommunalverwaltung mit der Prüfung von abschnittsbezogenen Alternativvorschlägen zur naturräumlichen, städtebaulichen und wassertouristischen Entwicklung zu beauftragen.
  4. Begrenzung der Gewässernutzung in Abkehr zur derzeitigen Kommerzialisierung der Leipziger Gewässer, d.h. Fokussierung auf muskelbetriebenen Bootsverkehr und dessen Steuerung, Ausschluss der Motorbootnutzung auf Gewässern im Leipziger Auwald über den bisherigen minimalen Umfang hinaus.
  5. Kein weiterer Gewässerausbau für Motorbootverkehr.

Einschätzungen und Vorschläge zu ausgewählten Gewässerabschnitten werden die Verbände demnächst aufbereiten. 

 

Biotop- und Klimaschutz

Das Leipziger Auenökosystem ist ein durch EU-Recht geschützter Lebensraum. Die Biodiversität einer intakten Auenlandschaft ist besonders hoch, gleichzeitig erfüllt sie wichtige Aufgaben im Klima- und Hochwasserschutz. Die einzigartige Nähe des Leipziger Auwalds zur Großstadt macht diese Ökosystemleistungen besonders wertvoll und schützenswert, denn Stadtklima und Bürger profitieren davon ebenso, wie die zahlreichen gesetzlich geschützten Tier- und Pflanzenarten der Aue. Das oberste Ziel muss daher die Revitalisierung des Auenökosystems sein, jede Nutzung muss naturverträglich gestaltet  werden. Das sind nicht nur Wünsche von Naturschützern, sondern es ist gesetzlich geboten. Unverständlich ist daher, dass das touristische Nutzungskonzept ohne Rücksicht auf Nachhaltigkeit, Naturschutz und Naherholung realisiert werden soll, obwohl sich die Umweltverbände bereits seit Jahren für eine naturverträgliche Entwicklung einsetzen. Da selbst am Runden Tisch zum WTNK darüber keine ernsthafte Debatte geführt werden konnte, ist der Rückzug von dieser Form der Vereinnahmung die Konsequenz. 

 

Rücktrittserklärung der Verbände     Pressemitteilung