Forstwirtschaft und Auenökologie

Naturschützer und Wissenschaftler führen Leipziger Stadträte durch den Wald

Das Leipziger Auenökosystem ist ein einzigartiges Naturerbe, dessen Erhalt und Revitalisierung ein wichtiges Anliegen ist. Auch der NABU engagiert sich dafür auf vielfältige Weise und arbeitet dabei mit Akteuren aus anderen Naturschutzverbänden sowie aus Wissenschaft und Verwaltung zusammen. Mit zahlreichen Projekten des praktischen Naturschutzes, der Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildung konnte der NABU hier bereits wichtige Beiträge leisten.

 

Fotos: Doris Wolst/UFZ
Fotos: Doris Wolst/UFZ

Aufmerksam begleitet der NABU daher auch die Debatte um die forstwirtschaftliche Nutzung und naturschutzfachliche Entwicklung des Leipziger Auwalds, die schon immer stattfindet, gegenwärtig aber besonders kontrovers ausgetragen wird. In Kürze wird der Stadtrat über den Forstwirtschaftsplan entscheiden; dem NABU war es ein Anliegen, Stadträten und Fachpolitikern im Vorfeld einen Einblick in ökologische Zusammenhänge, naturwissenschaftliche Forschung und naturschutzfachliche Ziele im Leipziger Auenökosystem zu geben. Der NABU hatte deshalb am 19. Oktober 2018 die Leipziger Stadträte zu einer Exkursion durch die Burgaue eingeladen. Wissenschaftler und Naturschützer haben die Teilnehmer auf dem Rundgang durch den Auwald geführt und vor Ort Fragen beantwortet. Rund 20 Teilnehmer kamen, darunter auch Stadträte, Kommunalpolitiker sowie einige andere interessierte Bürger.

 

Als Exkursionsleiter und Ansprechpartner fungierten Prof. Dr. Christian Wirth (Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung iDiv und Universität Leipzig), Rolf Engelmann (Verein zur Förderung der Umweltbildung und Umweltforschung ENEDAS), Dr. Peter Otto (Universität Leipzig), Theresa Warnk (Bund für Umwelt und Naturschutz BUND), René Sievert (NABU Leipzig), Dr. Maria Vlaic (NABU Leipzig).

 

Begrüßt wurden die Teilnehmer von René Sievert, der daran erinnerte, dass für einen intakten Auwald Hochwasser­ereignisse notwendig sind, diese wieder zuzulassen sei ein wichtiges Ziel des Naturschutzes. Daneben sei eine naturverträgliche Forstwirtschaft notwendig, um die Biodiversität des Leipziger Auenökosystems zu erhalten.

 

Prof. Dr. Christian Wirth berichtete von zahlreichen und langjährigen Forschungen im Leipziger Auwald, beispielsweise am Auwaldkran. Die Untersuchungsergebnisse direkt im Leipziger Auwald erlauben Rückschlüsse auf seinen Zustand und auf notwendige Maßnahmen zum Erhalt der Biodiversität. Untersucht wurde beispielsweise die Naturverjüngung der Waldbäume, wobei festgestellt wurde, dass die auwaldtypischen Baumarten sich unter den derzeitigen Bedingungen auf diese Weise nicht vermehren können.

 

 

Rolf Engelmann informierte die Teilnehmer über aktuelle Erkenntnisse zum sogenannten Eschentriebsterben, das dazu führt, dass nicht wenige Eschen im Leipziger Auwald absterben, weshalb verstärkt Eschen gefällt werden, was ursprünglich erst im Verlauf mehrerer Jahre geplant war. Des Weiteren informierte Rolf Engelmann über die Förderung der ökologisch besonders wertvollen Stiel-Eiche; sie ist im Leipziger Auwald eine typische Baumart und beherbergt die meisten Tier- und Pilzarten, kann sich aber unter dem Kronenschatten der anderen Bäume nicht von allein vermehren. Solange Hochwasserereignisse und damit verbundene Störungen im Baumbestand ausbleiben, kann die Eiche nur durch gezielte Pflanzungen gefördert werden. Dafür werden sogenannte „Femellöcher“ geschlagen, auf denen die Eichen genügend Licht bekommen.

 

Der Leipziger Auwald hat zahlreiche Funktionen, von denen die Menschen unmittelbar profitieren, er dient zum Beispiel der Naherholung und als Klimaanlage für die Stadt. Daneben ist er aber auch wertvoller Lebensraum für bedrohte Tier- und Pflanzenarten. Einige sprach Dr. Maria Vlaic an, zum Beispiel Käfer, wie den Eremit, oder Amphibien, wie die Rotbauchunke. Dabei erläuterte sie Artenschutzmaßnahmen des NABU, wie die Revitalisierung von Still- und Fließgewässern in der Aue. Zudem informierte sie über die damit verbundene wissenschaftliche Begleitforschung.

 

Über einen besonders seltenen Bewohner des Leipziger Auwalds sprach Theresa Warnk – über die Wildkatze, die hier nach Erkenntnissen des BUND mit acht Exemplaren heimisch ist. Die Wildkatze ist vom Verlust ihrer natürlichen Lebensräume bedroht, dass sie im Leipziger Auwald heimisch ist, beweist dessen herausragende Bedeutung als Lebensraum. Er ist der einzige bekannte Fundort der Wildkatze in Sachsen, wo die Tiere leider von anderen Vorkommen im Harzvorland und in der Dübener Heide isoliert sind. Hier einen Waldverbund herzustellen, ist ein Ziel des Rettungsnetz Wildkatze des BUND. Besonders wichtig für die Wildkatze im Leipziger Auwald sind ein hoher Totholzanteil, Freiflächen für die Mäusejagd sowie ausreichend große ruhige Rückzugsgebiete.

 

Theresa Warnk (links) und Dr. Maria Vlaic informierten über geschützte Tierarten im Leipziger Auwald.
Theresa Warnk (links) und Dr. Maria Vlaic informierten über geschützte Tierarten im Leipziger Auwald.
Zahlreiche Organismen sind auf einen hohen Totholzanteil angewiesen, zum Beispiel viele Insektenarten. Auch viele Pilze brauchen Totholz, sie spielen als Zersetzer eine wichtige Rolle im Nährstoffkreislauf.
Zahlreiche Organismen sind auf einen hohen Totholzanteil angewiesen, zum Beispiel viele Insektenarten. Auch viele Pilze brauchen Totholz, sie spielen als Zersetzer eine wichtige Rolle im Nährstoffkreislauf.

Über die Bedeutung von Totholz sprach auch Dr. Peter Otto, der zudem auf die oftmals übersehenen Auwaldbewohner einging – auf Flechten und Pilze. Sie spielen als Zersetzer im Stoffkreislauf des Auwalds eine wichtige Rolle. Die unterschiedlichen Zersetzungsstadien von Totholz sind zugleich für andere Auwaldbewohner wichtig, die solches Totholz besiedeln. Prof. Dr. Wirth ergänzte, dass der Totholzanteil im Bereich des Stadtforstes

Dr. Otto informierte über Totholz und über die Bedeutung der Pilze im Auwald.
Dr. Otto informierte über Totholz und über die Bedeutung der Pilze im Auwald.

erhöht werden soll, dass dabei aber Holz verschiedener Baumarten existieren muss, weil jede Art von Totholz ihre eigenen Bewohner hat. Es würde also nicht ausreichen, einfach alle Eschen absterben zu lassen, die dem Eschentriebsterben zum Opfer fallen. Rolf Engelmann ergänzte, dass Nichtstun dazu führen würde, dass der gegenwärtige artenreiche Hartholzauwald sich zu einem Bestand von Ahorn entwickeln würde. Dennoch gibt es im Stadtforst auch Bereiche, die man sich selbst überlässt, um dort die natürliche Entwicklung zu beobachten und daran angepassten Arten Lebensraum zu sichern.

Abschließend erläuterte René Sievert die Zusammenarbeit der Naturschutzverbände mit dem Stadtforst. Dabei

Der Rundgang endete am Nahleauslassbauwerk, wo eine abschließende Diskussion über den Schutz des Leipziger Auwalds stattfand.
Der Rundgang endete am Nahleauslassbauwerk, wo eine abschließende Diskussion über den Schutz des Leipziger Auwalds stattfand.

wurde deutlich, dass die ehrenamtlichen Möglichkeiten der Vereine nicht ausreichen, um den Artenschutz bei Forstarbeiten sicherzustellen. Die Naturschutzbehörde oder die Abteilung Stadtforst benötigen Personal, das dafür zuständig ist, beispielsweise für die Erfassung von Höhlenbäumen oder gesetzlich geschützter Arten. Zudem gebe es weiteren Forschungsbedarf. Für solche Forschungsarbeiten und für mehr Naturschutzpersonal baten die Wissenschaftler und Naturschützer die anwesenden Politiker um das nötige Geld und forderten, den Auenschutz stärker in die Entscheidungen der Stadträte einfließen zu lassen.

 

Die Stadträte bedankten sich für die Führung und die zahlreichen Hintergrundinformationen. Sie bedauerten allerdings, dass Naturschützer und Wissenschaftler sich nicht konkret zum Forstwirtschaftsplan geäußert hatten. Diese betonten jedoch, dass es nur um die Darstellung von Fakten ging, die in der aktuellen Debatte von anderen vielfach ignoriert oder verfälscht werden.

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