Vorschläge für die Auwaldpflanze des Jahres 2005


von Hendrik Teubert

Eine charakteristische Art entlang der kleineren Fließgewässer ist die Schwarzerle (Alnus glutinosa). Sie gedeiht von allen einheimischen Laubbaumarten am besten auf dauerhaft durchfeuchteten Böden. Ein Grund dafür ist ihre Fähigkeit, mit Hilfe eines Wurzelpilzes Luftstickstoff zu binden, der so als zusätzliche Nährstoffquelle zur Verfü-
gung steht. Denn die dauernassen Böden zeichnen sich wegen ihrer Sauerstoffarmut durch einen Mangel an pflanzenverfügbaren Nährstoffen aus. Wegen ihres intensiven Wurzelwerkes kann die Erle auch unmittelbar am Ufer wachsen und sorgt hier für eine natürliche Befestigung. Sie ist ferner bezeichnend für die besonders grundwassernahen Ausbildungen des Auwaldes, die standörtlich den Erlenbrüchen nahestehen. Solche Moor- oder Bruchwälder sind für das Leipziger Auengebiet nur bedingt typisch, da sie ganzjährig gleichbleibend hohe Wasserstände erfordern, Auen aber immer auch durch einen jahreszeitlichen Wechsel der Wasserstände gekennzeichnet sind.
Die Schwarzerle wird bis zu 100 Jahre alt, sie ist ein mittelgroßer bis großer (20 bis 30 Meter hoch werdender) Baum mit eilänglicher bis pyramidenförmiger Krone, dessen Borke im Alter nahezu schwarz gefärbt ist (daher die deutsche Artbezeichnung). Leicht kenntlich sind die am Rand ungleich gesägten, rundlich bis umgekehrt-dreieckig geformten Blätter mit zumeist deutlich eingekerbter Spitze. Wie bei allen Birkengewächsen werden weibliche und männliche Blüten getrennt voneinander ausgebildet. Die im Herbst heranreifenden zapfenartigen Früchte dienen dann den aus nordischen Gefilden durchziehenden Erlenzeisigen als wichtige Nahrung. Bemerkenswert ist auch die rötliche Holzmaserung, weshalb die Art in manchen Gegenden auch Roterle genannt wird. Überdies fand die eigentümliche Holzfärbung ihren Niederschlag im Volksglauben: So soll das Kreuz Christi aus Erlenholz gewesen sein. Andere Überlieferungen behaupten, das Holz sei rot, weil der Teufel damit seine Großmutter geprügelt hätte.

Hinsichtlich der ökologischen Ansprüche mit der Schwarzerle eng verwandt ist die Grauweide (Salix cinerea). Ob sich an einem geeigneten Standort stärker die eine oder die andere Art etabliert, ist vor allem von der Nähe und Größe der jeweils samenspendenen Elternbestände abhängig. Durch ihr sperriges, in die Breite gehendes Wachstum hat die strauchartige Grauweide zunächst einen Konkurrenzvorteil. Im Weiteren werden solche Grauweidengebüsche früher oder später jedoch immer von Erlenbeständen abgelöst, da die lichtliebenden Weiden die zunehmende Schattenwirkung der größeren Erlen auf Dauer nicht vertragen. In der natürlichen Entwicklung sind die Grauweidengebüsche also als Vorläufer von Erlen-bestimmten Wäldern anzusehen.
Aufgrund ihres charakteristischen, halbkugeligen Wuchses ist die Grauweide für das geübte Auge schon von weitem leicht erkennbar. Die Blätter sind länglich bis rundlich, meist umgekehrt eiförmig, oberseits runzelig und unterseits dicht graufilzig. Letzteres Merkmal ist verantwortlich sowohl für die deutsche Artbezeichnung als auch für die wissenschaftliche (cinerea kommt vom lateinischen Wort cinis = Asche). Wie alle Weidengewächse sind Grauweiden zweihäusig, das heißt männliche und weibliche Blüten kommen auf getrennten Individuen vor. Besonders auffällig sind im zeitigen Frühjahr, noch vor Laubausbruch, die männlichen Exemplare mit ihrer weithin sichtbaren Pracht gelber Kätzchenblüten. Diese sind als erste Nahrungsquelle für zahlreiche blütenbesuchende Insekten unverzichtbar.

Für die Ufer größerer Flüsse und ihrer Nebenarme besonders charakteristisch sind Gehölze, in denen die Silberweide (Salix alba) dominiert. Diese Ufer zeichnen sich gegenüber der Hartholzaue durch häufigere Überflutung aus und fallen andererseits, im Unterschied zu den Erlenwäldern, auch längere Zeit trocken. Im Leipziger Raum sind solche Weichholzauen nur noch in geringfügigen Resten vorhanden. Die in der Jugend äußerst konkurrenzschwachen Weiden benötigen als Keimbett vegetationsfreie Rohböden, wie sie in einer natürlichen Aue infolge flussdynamischer Entwicklungen (Abtrag und Anlandung) immer wieder neu entstehen. Durch die Regulierungs- und Ausbaumaßnahmen an den Gewässerläufen des Leipziger Umfeldes finden solche Prozesse jedoch kaum noch statt. Folglich zählen hier die Weichholzauen heute zu den besonders bedrohten Lebensräumen.
Die Silberweide kann bis zu 100 Jahre alt, etwa 25 Meter hoch und mehr als einen Meter stark werden. Sie ist damit die größte einheimische Weidenart. Besonders alte Bäume zeichnen sich durch eine tief gefurchte, längsrissige Borke und eine Neigung zu Faulstellen und damit zur Höhlenbildung aus. Sie bieten daher Unterschlupf für zahlreiche Tierarten. Die schmalen Blätter sind unterseits meist seidig behaart, so dass sie in der Sonne silbrig glänzen. Nicht nur der deutsche, auch der wissenschaftliche Artname (albus = weiß) leitet sich von diesem Kennzeichen ab. Wirtschaftliche Bedeutung hatte und hat die Silberweide für das Korbflechterhandwerk (Kopfweiden- oder Schneitelwirtschaft) sowie für die Gewinnung medizinisch wirksamer Stoffe, vornehmlich aus der Rinde.
Mit der Silberweide oft vergesellschaftet sind zwei ausladend buschige, ebenfalls schmalblättrige Weidenarten: Mandel- und Korbweide (Salix triandra, Salix viminalis). Erstere kann auf den ersten Blick leicht mit zuweilen strauchartig wachsenden Individuen der Silberweide verwechselt werden. Ein untrügliches Kennzeichen der Mandelweide ist jedoch die sich, ähnlich wie bei den Platanen, in großen Schuppen ablösende Borke. Die Korbweide ist an den sehr langen, mehr als 10 Zentimeter messenden Blättern, deren Ränder zur Unterseite umgerollt sind, leicht zu erkennen. Wie der Name bereits deutlich macht, spielt diese Art für die Gewinnung von Flechtruten eine herausragende Rolle.

 

Weiterführende Literatur (Auswahl)
AMANN, G. (1984): Bäume und Sträucher des Waldes.- Neumannverlag, Melsungen, 232
S. CHMELAR, J. & W. MEUSEL (1986): Die Weiden Europas.- Die Neue Brehmbücherei, A. Ziemsen-Verlag, Wittenberg Lutherstadt, 144 S.
ELLENBERG, H. (1996): Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen – in ökologischer, dynamischer und historischer Sicht.- 1095 S.
HEGI, G. (1981): Illustrierte Flora von Mitteleuropa, Bd. III/1.- Parey-Verlag, Hamburg, 504 S.
SCHLOSSER, S.; REICHHOFF, L. & P. HANELT (1991): Wildpflanzen Mitteleuropas – Nutzung und Schutz.- Deutscher Landwirtschaftsverlag, Berlin, 548 S.
SCHRETZENMAYR, M. (1989): Heimische Bäume und Sträucher Mitteleuropas.- Urainia-Verlag, Berlin, 223 S. Die Auwaldpflanze des Jahres 2005