Biotopschutz ist Klimaschutz

Bericht des Weltklimarates muss auch für Leipzig ein Weckruf sein!

Ende Februar hat der Weltklimarat IPCC einen weiteren Bericht zur Klimakrise vorgelegt. Dabei lag der Fokus stärker als bisher auf dem Zusammenhang zwischen Klimakrise und Biodiversitätskrise. Im Bericht wird die Bedeutung natürlicher Ökosysteme für die Klimaanpassung betont. Zugleich werden die verheerenden Folgen der Klimakrise erläutert, schon jetzt sei die Hälfte der Menschheit durch den Klimawandel hochgradig gefährdet – unter anderem durch Hitze, Dürre, Überschwemmungen oder Wassermangel.

Foto: Ulrike Leone/Pixabay

Der Klimawandel lässt sich laut IPCC nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn gleichzeitig auch die Ökosysteme geschützt und die biologische Vielfalt erhalten werden. Der Erhalt der Biodiversität sei so wichtig wie die Reduktion von Treibhausgasen.

Eine der dringlichen Forderungen lautet, mindestens 30 bis 50 Prozent der Ökosysteme weltweit vor starken menschlichen Eingriffen zu schützen. Aktuell sind 15 Prozent der Land- und 8 Prozent der Wasserflächen geschützt. Der Bericht betont insbesondere den Wert von Auen, welche Extremwetterereignisse abmildern und als intakte Ökosysteme einen wertvollen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt leisten können.

Blickt man vor diesem Hintergrund auf die Entwicklung der vergangenen Jahre in Leipzig wird deutlich, dass der Schutz der Ökosysteme hier keinen ausreichenden Stellenwert hat – ganz im Gegenteil: Der Verlust der Stadtnatur, fortschreitende Flächenversiegelung, naturferne Pflege von Grünanlagen und Gewässern, die Rodung von Bäumen und Sträuchern sind Sargnägel für Biodiversität und Klima. Ein wesentlicher Beitrag für Biodiversität und Klimaschutz muss eine Revitalisierung des Leipziger Auenökosystems sein. Der NABU fordert das seit Jahrzehnten und engagiert sich dafür auf verschiedenen Ebenen. Doch eine wirksame Auenrevitalisierung lässt weiter auf sich warten, Nichtstun wird den Zustand sogar weiter verschlechtern.

 

Viele Leipziger Fließgewässer sind naturfern und kanalartig, einige verlaufen in Stein- oder Betonbetten. Ihr ökologischer Zustand muss dringend verbessert werden. Foto: Claudia Tavares
Viele Leipziger Fließgewässer sind naturfern und kanalartig, einige verlaufen in Stein- oder Betonbetten. Ihr ökologischer Zustand muss dringend verbessert werden. Foto: Claudia Tavares

Die Entwicklung Leipziger Gewässer erfolgt nicht mit Blick auf eine Renaturierung – vielmehr steht der Tourismus im Mittelpunkt. Es sollen sogar Unsummen investiert werden, um Leipziger Fließgewässer weiterhin durch Betonbetten fließen zu lassen. Der NABU Leipzig fordert von Politik und Verwaltung, den Schutz der Natur in den Vordergrund zu rücken. Statt neuer Baugebiete müssen Naturschutzflächen ausgewiesen werden!

Biodiversität und Klimaschutz müssten eigentlich bei politischen Entscheidungen zu den wichtigsten Kriterien gehören, stattdessen fallen sie regelmäßig unter den Tisch – andere Belange werden als wichtiger eingeschätzt. Seit den Siebzigerjahren schon mahnen und warnen die Wissenschaftler, der IPCC-Bericht ist ein weiterer Weckruf, schon bald wird es zu spät sein, dann sind wichtige Kipppunkte erreicht und weder Klima noch Ökosysteme können gerettet werden.

Der Bericht beleuchtet auch Städte – in ihnen leben schon jetzt 50 und bald sogar 70 Prozent aller Menschen weltweit. Europa wird sich laut Bericht schneller als der globale Durchschnitt erwärmen, dadurch werden besonders in stark versiegelten Städten durch Hitzewellen mehr Menschen sterben, die Landwirtschaft wird unter Hitzestress und Dürren leiden und Wassermangel wird mit Hochwasserlagen wechseln. Steigt die Temperatur um 3 Grad, ist mit dreimal so vielen Hitzeopfern wie bei einer Erwärmung um 1,5 Grad zu rechnen. Bei einer Erwärmung um mehr als 3 Grad stößt der Mensch laut Bericht bereits an die Grenzen seiner Anpassungsfähigkeit. Für Tiere und Pflanzen in Europa ist bereits bei 1,5 Grad Anstieg die Grenze der Anpassungsfähigkeit erreicht.

Baumfällungen und Heckenrodungen sind in Leipzig leider an der Tagesordnung. Der Gehölzverlust wird in der Regel nicht ersetzt, die ökologischen Funktionen gehen verloren. Foto: Beatrice Jeschke
Baumfällungen und Heckenrodungen sind in Leipzig leider an der Tagesordnung. Der Gehölzverlust wird in der Regel nicht ersetzt, die ökologischen Funktionen gehen verloren. Foto: Beatrice Jeschke

In Leipzig sind solche Veränderungen schon jetzt spürbar. Strategien dagegen sucht man aber mit der Lupe, meist sind es nur Konzepte, deren Umsetzung fehlt. Kleine Einzelprojekte und Ansätze gibt es, doch weder Stadtentwicklung noch Politik haben die zwingende Abkehr von Beton und Asphalt verstanden, denn es werden weiter alle Baulücken mit Betonklötzen gefüllt und Wiesenflächen am Stadtrand mit flächenineffizienten Eigenheimen versiegelt. Der Bericht empfiehlt hingegen genau das Gegenteil: Der IPCC rät zu begrünten Innenstädten, mehr Parks und mehr Teichen für Mensch und Tier.

Aktuell halten die Autoren des Berichtes eine Erwärmung um 2 Grad für realistisch. Das würde bedeuten, dass innerhalb der Lebensspanne eines jetzt geborenen Menschen fast jede fünfte an Land lebende Tier- oder Pflanzenart vom Aussterben bedroht wäre. Schon jetzt haben Kinder in der Stadt kaum noch die Möglichkeit, Stadtnatur zu erleben. Auch das Wissen über die betroffenen Arten schwindet mehr und mehr und damit das Bewusstsein für den Wert der Biodiversität. Doch in der Leipziger Stadtpolitik ist das nicht der Maßstab, noch immer wird der Profit von Investoren höher bewertet als der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, von Klima und Gesundheit. Noch vor kurzem gab es Lebensräume in denen die sogenannten „Allerweltsarten“ zuhause waren. Mit dem zunehmenden Verlust dieser Lebensräume sind bald auch die heute noch häufigen Arten vom Aussterben bedroht – ja örtlich sind sie tatsächlich schon ausgestorben!

In Leipzig wird ständig die „graue Infrastruktur“ erweitert, obwohl hier die Wärme besonders stark und lange gespeichert wird.  Was ist mit der „grünen und blauen Infrastruktur“? Sie taucht nur in Analysen und Konzepten auf, wird aber wenn es darauf ankommt stets anderen Interessen geopfert. Dabei sind Grünflächen und Gewässer ein wichtiger Beitrag nicht nur zum Biotop- und Artenschutz, sondern auch zum Klimaschutz. Sie dienen der Kühlung und Wasserrückhaltung und auch der menschlichen Gesundheit und dem Wohlbefinden.

 

Der NABU Leipzig fordert deshalb schon lange eine zeitgemäße Stadtplanung mit gezielter Entsiegelung, ökologisch funktionaler Begrünung und dem Erhalt bestehender Lebensräume, und zwar bei jedem Bauvorhaben, bei jeder Sanierung und auch bei jeder Stadtratsentscheidung. Das Zeitfenster zum Handeln schließt sich laut IPCC-Bericht bis 2030 – ein Weiter-so ist daher keine Option! Klimakrise und Artensterben müssen gemeinsam bekämpft werden.

 


Auch deshalb unterstützte der NABU Leipzig den Klimastreik am 25. März 2022.

 

Pressemitteilung

 

Aufruf von Fridays For Future Leipzig

 

Die Klimakrise ist jetzt. Wir leben auf Kosten der Menschen, die schon seit Jahren von den Folgen der Klimakrise betroffen sind und es in Zukunft noch  stärker sein werden. Wir sagen solidarisch mit den am stärksten Betroffenen dieser Krise: #PeopleNotProfit.

 

Und wir wissen: eine klimagerechte Welt ist möglich, doch dafür braucht es am 25. März die gesamte Gesellschaft auf den Straßen! Nur wenn wir den Druck erhöhen, können wir in den nächsten Jahren echte Klimagerechtigkeit erkämpfen. Also auf die Straßen am 25. März!

 

Gemeinsam mit Fridays For Future beteiligte sich auch der NABU am weltweiten Klimastreik.

WEITERE INFORMATIONEN


Leipzig schrumpft

 

Während Leipzig für die Menschen wächst, schrumpft die Stadt für die Tier- und Pflanzenwelt. Lebensräume gehen tagtäglich verloren, oftmals ohne jeden Ausgleich, obwohl er gesetzlich vorgeschrieben ist. Damit verliert Leipzig auch mehr und mehr Lebensqualität. Außerdem haben die Ökosysteme wichtige Funktionen, zum Beispiel für das Stadtklima. mehr



Wohnungsnot durch Bauboom

 

Bei Gebäudesanierungen werden Nistplätze zerstört, der gesetzliche Artenschutz wird aus Unkenntnis oder vorsätzlich missachtet. Das führt zum Verlust von Nistplätzen, in manchen Fällen auch zum Tod von Tieren. Auf Leipziger Baustellen! Der NABU fordert Einhaltung der Artenschutzgesetze! mehr

  



Foto: Karsten Peterlein
Foto: Karsten Peterlein

Gehölze für Klima und Artenvielfalt

 

Bäume und Sträucher haben eine große Bedeutung für die Stadtnatur. Die Gehölze sind wichtig für das Klima, das Wohlbefinden der Menschen, und sie bieten Tieren Unterschlupf und Nahrung. Leider werden Sträu­cher oft als „Gestrüpp“ verkannt und radikal beseitigt, Bäume werden achtlos gefällt. Damit geht ihre wertvolle ökologische Funktion verloren – zum Nachteil für Mensch und Natur. Der NABU setzt sich daher für ihren Erhalt ein sowie für eine naturverträgliche Gehölzpflege. mehr



Foto: Doris Wolst/UFZ

Schutz der artenreichen Auenlandschaft

 

Das Auenökosystem ist auf periodische Hochwasserer­eignisse angewie­sen, sie wieder zu ermöglichen, ist deshalb eins der wichtigsten Natur­schutzziele. Neben dieser Auenrevitalisierung gilt es, den Auwald als artenreiche Kulturlandschaft zu erhalten. Ihre große Biodiversi­tät verdankt sie auch einer naturverträg­lichen Forstbewirtschaftung. Der NABU setzt sich dafür ein, dass dabei ökologische Zusam­menhänge und der Artenschutz beachtet werden. mehr