Kandidaten für die Wahl des Auwaldtiers 2011

von Roland Zitschke

Der Dreistachelige Stichling (Gasterustens aculatus) ist ein mäßig lebhafter, etwa acht Zentimeter großer Kleinfisch. Auffällig ist seine Körperform: Sie endet in einem dünnen Schwanzstiel, der in eine dreieckige Schwanzflosse ohne Einbuchtung übergeht. Rücken- und Afterflosse sind weit nach hinten gesetzt. Vor der Rückenflosse stehen zwei größere und ein kleinerer Stachel, die paarigen Bauchflossen sind ähnlich wie die Rückenstacheln ausgebildet. In Erregung spreizt der Stichling die wehrhaften Stacheln vom Körper ab.

Foto: NABU Leipzig
Foto: NABU Leipzig

Bei Gefahr kann der Stichling die Stacheln fest arretieren und ist für Fressfeinde eine schwerere Beute. Sein Körper ist silbergrau, leicht pigmentiert und mit quer gestellten dunklen Bändern markiert, die Flanken werden von dünnen Knochenplatten bedeckt, die im Schwanzbereich gekielt und von oben gut wahrnehmbar sind.
Das Maul ist leicht endständig und kann weit geöffnet werden. Das umfangreiche Nahrungsspektrum des Stichlings reicht vom Wasserfloh über Mücken, Libellen, Käferlarven, Fischbrut bis hin zu kleinsten Lurchlarven. Zur Laichzeit von März bis Juni färbt sich die Brust des Männchens ziegelrot, der Körper erhält einen dunklen grünlichen Farbstich, das Auge leuchtet auffällig smaragdgrün. Das Weibchen ist zur Laichzeit füllig, aber weiter schmucklos. Das Männchen baut am Gewässergrund aus Pflanzenfasern ein lockeres Nest in Kugelform und verfestigt es mit Körpersekret. In der Regel treibt es zwei bis drei laichreife Weibchen durch das Nest, wobei die Eier aus dem Weibchen abgestreift werden. Danach befruchtet das Männchen die Eier, vertreibt die Weibchen, bewacht das Nest und fächelt ihm Frischwasser zu. Kommt die Stichlings-Brut zum Freischwimmen, führt das Männchen die Jungen bis zur Selbstständigkeit. Der Stichling kommt auf den Britischen Inseln und an der Westküste Norwegens, in Finnland, Schweden, Deutschland, Österreich bis zur Schweiz und in den Randgebieten der Iberischen Halbinsel vor.
r entwickelt in Abhängigkeit von Brack- und Süßwasser Wanderformen und bevorzugt schwach fließende und stehende Gewässer mit guter Unterwasserflora. Wenn Wasservögel sein Nest verschleppt haben, ist er oft Erstbesiedler neuer Gewässer und kann Massenbestände entwickeln, wenn keine Gründelfische im Gewässer leben. Gründelfische wie Karausche, Schlammpeitzger, Giebel und Gründlinge regeln seine Bestandsgröße.
Der Stichling braucht Sauerstoff und liebt Stellen mit schwacher Strömung, Säume mit Wellenschlag und konzentriert sich hier zum Schwarm. Jungstichlinge schwimmen gern im Verband mit Moderlieschen und der Brut des Zwergstichlings, wie wiederholt in den Papitzer Lehmlachen festgestellt wurde. Früher wurde der Stichling gern von Kindern und Jugendlichen im Aquarium gehalten. Sein Bestand ist rückläufig, weil kaum noch Kleingewässer vorhanden sind beziehungsweise entstehen.


Der Zwergstichling (Pungitius pungitius) ist schlanker und gestreckter als der Dreistachlige Stichling, sein Körper wirkt leicht rundlich und hat keine Knochenplatten, außer einigen gekielten Schuppen am Schwanzstiel. Insgesamt ist seine Farbe silbergrau, der Rücken leicht bräunlich. Die Querbänderung des Körpers ist nicht so stark ausgeprägt wie beim Dreistachligen Stichling. Sieben bis zehn Stacheln stehen vor der ebenfalls weit nach hinten gesetzten Rückenflosse, auch die paarigen Bauchflossen sind Stacheln. Mit 7 cm ist seine maximale Größe erreicht.

Foto: NABU Leipzig
Foto: NABU Leipzig

Sein Biotop sind verkrautete Gräben, Rinnengewässer verschiedener Struktur, vor allem solche, die Anschluss an Weiher, Teiche, Lehm- und Kiesgruben oder zu trägen Flachlandflüssen haben, in die er sich bei Austrocknung seines Biotops zurückzieht. In den nur sieben bis zehn Zentimeter hohen Gewässern ist er oft der einzige Fisch und kommt hier selten in Kontakt mit dem Dreistachligen Stichling. Durch Melioration werden ihm Lebensräume entzogen. Erinnert sei hier an die Friedländer Wiese in der DDR und an das Steinhuder Meer. Auch im Leipziger Land sind fast alle Wiesengräben verschwunden. Die letzten uns bekannten fünf Vorkommen des Zwergstichlings in und um Leipzig befinden sich weit voneinander entfernt, sodass der notwendige Genaustausch in Gefahr ist. Das Vorkommen im Ruderalgelände des Lindenauer Hafens wird Opfer der Hafenverbindung zum Karl-Heine-Kanal. Ein weiteres Vorkommen im NSG „Luppeaue“ ist infolge der vom Landratsamt geforderten Trockenlegung gefährdet. Das Brutverhalten des Zwergstichlings ähnelt dem des Dreistachligen Stichlings mit dem Unterschied, dass er sein Nest an Wasserpflanzen aufhängt. Das Hochzeitskleid des Männchens kann bis ins Tiefschwarze wechseln, die Bauchflosse wird leicht rötlich, die paarigen Bauchstacheln werden hellblau. Die Nahrung des Zwergstichlings besteht aus Hüpferlingen, Springschwänzen, Anflugnahrung. Der Nachweis des Zwergstichlings ist schwierig in den stark verkrauteten Gräben. Im Gebiet der Papitzer Lachen gelangen Beifänge in Moderlieschenschwärmen bis 1983. Danach starb der Fisch hier infolge Austrocknung aus. Ab 2005 gelangen wieder Beifänge in Jährlingsschwärmen des Dreistachligen Stichlings mit etwa 15 Prozent Jungfischanteil. Die Verschleppung seiner Nester aus den Gräben in andere Gewässer durch Wasservögel, ähnlich wie beim Dreistachligen Stichling, kommt kaum vor. Das Ausmaß der negativen Einwirkungen auf den Zwergstichling könnte den vergessenen Fisch zum Aussterben bringen. Es gäbe aber Möglichkeiten, diese Art zu fördern, zum Beispiel mit spezifisch gestalteten Gartenteichen, Halterung und Zucht in größeren Biotopaquarien und der Wiederherstellung von Auengrabensystemen mit sicherer Wasserführung.


Das Moderlieschen (Petromyzon delineatus) ist mit fünf bis sieben Zentimetern Größe der kleinste Karpfenfisch Europas. Der Körper ist schlank und seitlich flach und die Seitenlinie nur bis zu einem Fünftel der Körperlänge ausgebildet, die Schuppen lösen sich sehr leicht vom Körper. Das Moderlieschen ist silbern, leicht metallisch blau, die Flossen sind leicht grau und durchsichtig. Der Fisch hat ein oberständiges Maul und hält sich oft an der Wasseroberfläche auf. Seine Nahrung besteht aus Insekten, Blütenstaub und im Wasser schwebendem Zooplankton aller Art. Moderlieschen leben als Schwarmfische sehr gesellig in schwach fließenden und in Standgewässern, bevorzugen dichte Unterwasserflora, halten sich aber auch gern in pflanzenfreien Räumen von Teichen, Weihern und Gräben mit Dauerwasserführung auf; daher sind Tümpel nur dann besiedelt, wenn der Laich zusammen mit Pflanzensubstrat durch Wasservögel eingeschleppt wurde.

Foto: NABU Leipzig
Foto: NABU Leipzig

Auf diese Art verbreitet sich das Moderlieschen oft auf dem Luftweg und ist auch ein Erstbesiedler von neu entstandenen Gewässern. Dies konnte in den zurückliegenden Jahren in Lehmabbaugebieten der Leipziger Aue mehrfach festgestellt werden. In Europa ist das Moderlieschen von Südschweden bis in die Rheinlandschaft und nach Osten bis zum Kaspisee zu finden. Frei von Moderlieschen sind England und Schottland, Südfrankreich, Spanien und große Teile des Balkans. Die Laichzeit des Moderlieschens liegt zwischen Ende März und Mai. Das Moderlieschenmännchen trägt während dieser Zeit kleine weiße Knötchen am Körper (Laichausschlag). Das Weibchen wickelt kleine Laichschnüre um Pflanzenstängel, die das Männchen befruchtet. Die Brutpflege führt nur das Männchen aus, es bewacht die Eiablage und stößt von Zeit zu Zeit mit dem Kopf an den Stängel, dadurch wird eine Frischwasserbewegung entfacht, die auch das Schlüpfen der Brut aus dem Ei befördert. Die etwa drei Millimeter großen Jungfische werden nicht mehr bewacht, sie ernähren sich von feinstem Zooplankton und können schon im Folgejahr laichreif sein. Wenn das Moderlieschenmännchen Brutpflege an aufrechten, aus dem Wasser ragenden Pflanzenstängeln betreibt, kann der geübte Fischkenner das Zittern des Stängels wahrnehmen, somit erübrigt sich das Keschern nach dem Fisch, der besonders empfindlich auf Verletzungen im Netz reagiert. |||