Turmfalken in Not

Bauboom und Nahrungsmangel

Immer öfter müssen in Not geratene Turmfalken von der Wildvogelhilfe des NABU Leipzig gerettet und gepflegt werden. Foto: NABU Leipzig
Immer öfter müssen in Not geratene Turmfalken von der Wildvogelhilfe des NABU Leipzig gerettet und gepflegt werden. Foto: NABU Leipzig

Jahr für Jahr geraten mehr Turmfalken in Not. 2020 hat die Wildvogelhilfe des NABU Leipzig junge Turmfalken am Neuen Rathaus, an der Hochschule für Musik und Theater, an der Thomaskirche und am Wintergartenhochhaus geborgen, alle mangeler­nährt, weil die Falkeneltern nicht mehr genug Nahrung finden, weil die Nahrungsflächen bebaut wurden, obwohl sie für den Fortpflanzungserfolg essentiell sind und damit nach §44 Bundesnatur­schutzgesetz zu den gesetzlich geschützten Lebens­stätten gehören. Ersatzmaßnahmen fehlen bei nahezu jedem Bauprojekt in Leipzig. Auch stadt­eigene Vorhaben, wie zum Beispiel Schulbauten, sind leider in keine Ausnahme und kein positives Vorbild. 

 

Obwohl das Artensterben und der Klimanotstand ein sofortiges Umsteuern erfordern, ist die Stadtplanung von Beton, Grünverlust, Lebensstättenzerstörung  und Flächenversiegelung geprägt. Der fortschreitende Verlust geschützter Lebensstätten und der verschlechterte Erhaltungszustand geschützter Arten ist gesetzeswidrig. Turmfalken sind streng geschützt, wiederkehrend genutzte Lebensstätten sind ebenfalls geschützt.

 

Erschöpfte junge Falken prallen gegen Scheiben oder kollidieren mit Autos. Foto: NABU Leipzig
Erschöpfte junge Falken prallen gegen Scheiben oder kollidieren mit Autos. Foto: NABU Leipzig

Turmfalken bewohnen viele hohe Gebäude in der Stadt. Doch wie nahezu alle gebäudebewohnenden Tierarten haben sie zunehmend Probleme. Der Bauboom gefährdet ihre Nistplätze. Vielfach werden die Höhlen und Nischen einfach wegsaniert. Manchmal werden sogar Nisthilfen beseitigt, die extra für die geschützten Vögel angebracht waren. Mit neuen Nisthilfen versucht man in einigen Fällen Ersatz zu schaffen, aber dem Bauboom fallen leider auch viele Grün- und Brachflächen in der Stadt zum Opfer – Leipzig schrumpft! Deshalb geht den Falken auch die Nahrung aus. Dass für den Schutz der Vögel Nahrungs- und Nistplätze zusammen erhalten werden müssen, wird bei der Stadtplanung leider überhaupt nicht berücksichtigt. Und so ergeht es nicht nur den Turmfalken – vom Bauboom und rücksichtsloser Stadtplanung sind auch viele andere Tierarten betroffen – auch das ist ein Grund, weshalb dem Falken die Nahrung ausgeht: Seine Beutetiere sterben aus.

 

Die Wildvogelhilfe des NABU Leipzig bekommt immer öfter Meldungen, dass junge Falken halb verhungert auf den Straßen und Wegen sitzen, die einzig als Landeplatz verbleiben, wenn ehemalige Jagdgebiete immer dichter bebaut werden. Damit fehlt es den Falken, einmal geschwächt am Boden notgelandet, an Platz zum Freiflug nach oben. Die Vögel prallen immer wieder gegen Glasscheiben oder Autos und werden überrollt. Vogeleltern trauen sich im dichten Verkehrsraum nicht zum Boden, somit sind die Jungtiere zum Verhungern verurteilt.

 

Lebensraumvernichtung macht Schule

Turmfalken-Nistplatz in der Apollonia-von-Wiedebach-Schule. Foto: NABU Leipzig
Turmfalken-Nistplatz in der Apollonia-von-Wiedebach-Schule. Foto: NABU Leipzig

In Leipzig Connewitz ist ein Schulneubau geplant, der den Anflug zu einem etablierten Turmfalkennistplatz verbaut. „Wir werden dort eine Lösung finden“, meinte Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau in der Stadtratsitzung. Welche Lösung sie meint, ist unklar! Immer wieder ist von der Stadtverwaltung, die eigentlich auch dem Artenschutz verpflichtet ist, zu hören, die Vögel könnten doch ausweichen – aber wohin, fragt der NABU Leipzig wieder und wieder! Eine formelle Anfrage beim Amt für Umweltschutz blieb unbeantwortet. Durch den geplanten Schulneubau wird also ein weiterer Brutplatz der Falken zerstört und Nahrungsflächen werden überbaut, das Bundesnaturschutzgesetz wird irgnoriert.

 

Wohin will man die Turmfalken von der Apollonia-von-Wiedebach-Schule umsiedeln? Auch weitere Standorte im Süden sind heute schon bedroht. Die Turmfalken an den Punkthochhäusern in der Zwickauer Straße sind aufgrund der überbauten Nahrungsflächen rund um den Funkturm ebenso in Hungersnot wie die Turmfalken in der Selneckerstraße. Dort wurde von der Wildvogelhilfe Leipzig bereits ein mangelernährter Turmfalke an der Paul-Gerhardt Kirche eingesammelt, nachdem die Polizei um Hilfe gebeten hatte. Der Notfall ist nicht verwunderlich, denn auch hier sind Brachflächen und Grünanlagen, die Nahrungshabitate waren, in den letzten drei Jahren bebaut worden.

 

Bauen und Natur erhalten!

Hilfsbedürftiger Turmfalke am Boden. Foto: NABU Leipzig
Hilfsbedürftiger Turmfalke am Boden. Foto: NABU Leipzig

Schulen werden gebraucht, das steht außer Diskussion, aber auch bei Schulbauten muss die Natur soweit wie möglich erhalten werden – sie ist Lebensgrundlage auch der nächsten Generation. Bei Bauprojekten wird fleißig über Architektur und Denkmalschutz geredet, aber die Stadtverwaltung sollte doch auch im Stande sein, den gesetzlich vorgeschriebenen Artenschutz mitzuplanen!

 

Der NABU Leipzig fordert, dass Architekturwettbewerbe die Anforderung beinhalten, Lebensräume unserer Mitgeschöpfe zu erhalten oder neu zu schaffen. Artensterben und Klimanotstand machen den Erhalt von Grünflächen unverzichtbar! 


Hungersnot in der dicht bebauten Stadt

NABU Leipzig füttert junge Turmfalken – aber Weiße Mäuse sind keine Dauerlösung!

Auch 2021 erreichen den NABU Leipzig wieder Anrufe zu jungen Turmfalken, die im Stadtgebiet hilfebedürftig am Boden sitzen. In solchen Fällen eilen, sofern es die ehrenamtliche Arbeitskapazität erlaubt, freiwillige Vogelretter der Wildvogelhilfe Leipzig zum Fundort. Dort sehen sie immer öfter Jungvögel auf Straßen und Wegen dem Hungertod nah.

 

Rettungseinsatz an der Thomaskirche: NABU Leipzig füttert jungen Turmfalken mit Mäusen. Anschließend wurde der Jungvogel auf einen ungenutzten Balkon der Kirche gesetzt, wo er – ohne Störung durch Passanten – wieder von seinen Eltern versorgt werden konnte. Fotos: NABU Leipzig

 

Verlassen junge Turmfalken ihr Nest, so ist der erste Ausflug oft eine Bruchlandung, sie lernen erst außerhalb ihrer Bruthöhle fliegen, sofern die Bedingungen dafür stimmen. In Leipzig fehlen aber immer öfter geeignete Lebensräume für Wildtiere. Jahr für Jahr gehen Nahrungsflächen für die Vögel verloren. Neben Nahrungsmangel fehlt es den jungen Falken auch an Platz zum Freiflug nach oben. Die Vögel prallen immer wieder gegen Glasscheiben oder Autos und werden überrollt. Vogeleltern trauen sich zudem im dichten Verkehrsraum oder stark frequentierten Fußgängerzonen nicht zum Boden, um die Jungen zu füttern. Irgendwann sind die Vögel so schwach das auch der Rufkontakt ausbleibt, die Jungvögel suchen Schutz hinter Mülltonnen oder Autos wo sie häufig unversorgt verhungern.

 

Immer öfter sitzen junge Falken dem Hungertod nah auf Straßen und Wegen. Zufütterung kann die ausgehungerten Tiere wieder kräftigen, sodass sie sich auf Gebäuden oder Bäumen halten können. Dort sitzen sie sicher und können auch wieder von den Eltern versorgt werden. Fotos: NABU Leipzig

 

Der NABU hilft je nach Situation auf verschiedenen Weise. Sind die Eltern noch in der Nähe, versuchen die Mitstreiter der Wildvogelhilfe Leipzig die Jungvögel erhöht zu setzen, wo sie von den Eltern wieder gesehen und weiter versorgt werden. Ist das nicht möglich, oder landen die Falken immer wieder am Boden, versuchen die Helfer, mit Absperrband Ruhebereiche einzurichten, wo die Jungvögel ungestört weiter gefüttert werden. Immer öfter entscheiden sich die Helfer aber auch für einer Zufütterung geschwächter Tiere vor Ort. Ein, zwei Mäuse können die ausgehungerten Tiere wieder kräftigen, sodass sie sich auf Gebäuden oder Bäumen halten können. Einige Futterstellen werden dann über mehrere Tage betreut.

 

Diese Art der Zufütterung kann aber keine Dauerlösung sein! Entscheidend für den Vogelschutz ist der Schutz der Lebensräume! Dafür setzt sich der NABU Ledipzig auf vielfältige Art ein und freut sich über jede Unterstützung

 

Jungvögel, die von ihren Eltern nicht mehr versorgt werden, müssen stationär aufgenommen werden, wofür die Kapazität in der Wildvogelhilfe Leipzig begrenzt ist. Foto: NABU Leipzig
Jungvögel, die von ihren Eltern nicht mehr versorgt werden, müssen stationär aufgenommen werden, wofür die Kapazität in der Wildvogelhilfe Leipzig begrenzt ist. Foto: NABU Leipzig

 

Die Lebensräume geschützter Arten werden in Leipzig leider durch die unzeitgemäße Betonpolitik der Stadtverwaltung ersatzlos zerstört. Das ist gesetzeswidrig. Turmfalken sind nach dem Bundesnaturschutzgesetz streng geschützt. Nicht nur ihre Brutplätze, auch Nahrungsflächen, welche für den Fortpflanzungserfolg essenziell sind, gehören gemäß §44 Bundesnaturschutzgesetz zur gesetzlich geschützten Lebensstätte.

 

Obwohl Turmfalken gesetzlich streng geschützt sind, gefährden Lebensraumzerstörung und dichte Bebauung ihr Überleben in Leipzig. Die Stadtplanung ignoriert die Verpflichtung zum Biotop- und Artenschutz. Foto: NABU Leipzig
Obwohl Turmfalken gesetzlich streng geschützt sind, gefährden Lebensraumzerstörung und dichte Bebauung ihr Überleben in Leipzig. Die Stadtplanung ignoriert die Verpflichtung zum Biotop- und Artenschutz. Foto: NABU Leipzig

 

In Veröffentlichungen berichtet die Stadtverwaltung stolz von den Turmfalken, die hier brüten, auch auf dem Neuen Rathaus. Doch der Vogelschutz kann nicht beim Nistkasten am Rathausturm aufhören – die Tiere brauchen auch Nahrung! Der NABU Leipzig fordert die Stadtverwaltung auf, den Schutz der streng geschützten Tiere zu gewährleisten und ihre Nahrungsflächen zu erhalten.

 

Die Wildvogelhilfe Leipzig finanziert ihre Arbeit zur Tierrettung sowie Futter und Material ausschließlich
aus Spenden

 

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